Den Angestellten von Vetropack wurde am Dienstagmorgen der Kaffee so richtig vermiest. Denn jetzt ist es definitiv: Die letzte Glasfabrik der Schweiz schliesst Ende August in Saint-Prex VD ihre Tore. Das hat Vetropack am Dienstag verkündet. 182 Angestellte verlieren ihren Job. Und ein Stück Schweizer Geschichte geht verloren.
«Viele der Angestellte haben über die Medien von der definitiven Schliessung erfahren», kritisiert Nicole Vassalli von der Gewerkschaft Unia im Gespräch mit Blick. Die Gewerkschaft hatte gemeinsam mit den Angestellten nach einem Ausweg gesucht – das Konsultationsverfahren lief seit März. Jedoch ohne Erfolg, wie sich nun herausstellt. «Die Angestellten sind geschockt, traurig und wütend», hält Vassalli fest.
Schliessung «unausweichlich»
In den Augen der Zürcher Firma, die es bereits seit 1911 gibt, lohnt sich eine Investition in die letzte Schweizer Glashütte nicht. «Ein rentabler Betrieb wäre auf Dauer nicht möglich. Die Schliessung der Produktion ist deshalb unausweichlich», sagt Geschäftsführer Johann Reiter (63). Im Werk entstehen aktuell bis zu 800'000 Glasflaschen innert 24 Stunden.
Von der Schliessung betroffen sind insgesamt 182 Mitarbeitende. «Es werden nicht alle Stellen sofort wegfallen – der Abbau ist in mehreren Phasen geplant», sagt der CEO zu Blick. Der Stellenabbau soll bereits in den nächsten Tagen beginnen. Etwa die Hälfte der 182 Angestellte verliert bis Ende August ihren Job. «Es ist hart und bitter und hat nichts mit der Leistung der Mitarbeiter zu tun.»
Blick hat versucht, mit einigen Angestellten zu sprechen. Es wollte jedoch niemand einen Kommentar abgeben. Man dürfe nichts zu Vetropack sagen, so mehrere Mitarbeitende am Telefon. Man wolle zuerst die Konsequenzen der Schliessung abwarten. Die Anspannung war den Angestellten anzuhören.
Wie bei Massenentlassungen vorgeschrieben, gibt es einen Sozialplan. Den Betroffenen soll – wenn möglich – eine neue Stelle vermittelt werden, hält das Unternehmen fest. Für die Betroffenen ein schwacher Trost.
Gemeindepräsident bestürzt
Vetropack ist in der kleinen Gemeinde mit 5900 Einwohnerinnen und Einwohnern stark verankert. «Es ist ein schwarzer Tag für Saint-Prex», sagt Stéphane Porzi (58), Gemeindepräsident des Westschweizer Dorfes. «Ich bin sehr traurig und denke an all diese Familien, die sich im Ungewissen befinden.» Auch der Regierungsrat des Kantons Waadt tut sein Bedauern über die Schliessung in einem Schreiben kund.
Das Vereinsleben im kleinen Ort ist eng mit der Glasfabrik verknüpft. Blaskapelle, Turnverein, Fussballclub – sie alle entstanden im Umfeld von Vetropack. «Die Blaskapelle übt in den Räumlichkeiten von Vetropack und wird von der Firma auch finanziell unterstützt», erklärt Porzi. Wie es mit ihr nun weitergeht, ist unklar. Den anderen Vereinen drohe hingegen keine Gefahr, hält der Gemeindepräsident fest.
Für Porzi selber geht mit der Schliessung der Glasfabrik ein Stück Kindheit verloren. Bereits sein Vater sowie sein Grossvater arbeiteten für Vetropack: «Ich bin ein Kind der Glashütte.» Damit ist er nicht allein.