Überall stapeln sich farbige Schaumstoffblöcke, Zuschnitte oder Rollen in der Lagerhalle. In der Werkhalle der Firma B. Bolliger lärmen grosse, klobige Maschinen. «Es ist noch eine halbe Baustelle», sagt Geschäftsführerin Susy Berger-Bolliger (44) beim Empfang von Blick. Das Familienunternehmen hat die neue Produktionshalle in Fribourg erst diesen März bezogen. Viel Aufwand für eine unsichere Zukunft: «Wir haben uns vor dem Umzug gefragt, ob wir das Geschäft überhaupt weiterführen können.»
Ihr Betrieb stellt Schaumstoff nach Mass her. Egal ob für Sofakissen, Polster für die Gartenlounge, Camping-Matratzen oder Matratzenkeile. Früher war der sogenannte Polsterer ein bekannter Beruf. Dieses Handwerk stirbt jedoch mehr und mehr aus. Als Bruno Bolliger (71) vor über 43 Jahren das Familienunternehmen gründete, arbeitete er ausschliesslich für Innendekorateure.
Mittlerweile haben seine drei Töchter das Geschäft übernommen. «Als ich 2011 Geschäftsführerin wurde, habe ich den ersten Onlineshop in der Schweiz aufgebaut», erklärt Berger. Denn mit Geschäftskunden allein ist die Firma nicht mehr über die Runden gekommen. Nur während der Corona-Pandemie erlebte sie einen kurzen Aufschwung.
Fast Furniture erschwert Geschäft
Auch jetzt läuft es nicht gerade rosig: «Es könnte besser laufen. Aber es läuft nicht schlecht», so Berger zu Blick. Wegen des Umzugs stand die Produktion über einen Monat still. Und der neue Standort kostet stolze 2000 Franken Miete mehr pro Monat als der alte. Der vorherige Vermieter hatte Eigenbedarf angemeldet.
Aber wieso sind die Dienste der Familie Bolliger nicht mehr so gefragt wie früher? Berger sieht die Schuld in der heutigen Wegwerfgesellschaft. «Man tauscht lieber die ganze Gartenlounge aus, als die Kissen neu aufzupolstern», sagt sie. «Das ist eine riesige Ressourcenverschwendung.» Aber leider günstiger.
Früher gab man für das Mobiliar mehrere Monatslöhne aus, vererbte das Stilsofa sogar weiter. An das ist heute kaum mehr zu denken: Mit Ikea, Mömax und Co. kennt die Fast-Furniture-Branche mittlerweile zahlreiche Anbieter von günstigen Möbeln – die oft nicht besonders lange halten.
«Auch bei teuren Sofas wird oft beim Innenleben gespart», weiss Berger. Sie kann nicht nachvollziehen, weshalb Möbelhäuser bei der Polsterung keine Varianten anbieten. «Man kann die Farbe aussuchen, den Stoff, die Füsschen des Sofas – aber drin ist immer dasselbe.» Für ältere Personen eigne sich meist ein härteres Polster besser – dann können sie einfacher vom Sofa aufstehen.
Bei der Qualität kommt es vor allem auf die Dichte des Schaumstoffs an. Bei Fast Furniture kommt oft nur Schaumstoff mit einer Dichte von 20 bis 30 Kilo auf einen Kubikmeter zum Einsatz. «Das sind dann 80 Prozent Luft», erklärt Berger. Ihre Firma bietet insgesamt 30 verschiedene Schaumstoffqualitäten an.
Ein Beispiel: Ein Paar will sich neue Polster für ihre Lounge anschaffen. Dafür schickt sie dem Familienunternehmen lediglich die Kissen samt Bezug. Die Firma misst diese dann für einen Aufpreis aus und schneidet neue Polster zurecht. Für die Sitzkissen verwendet die Firma eine Dichte von bis zu 55 Kilo pro Kubikmeter. Für die Rückenkissen dagegen reichen bis 35 Kilo – schliesslich kommt dort weniger Gewicht drauf. Kostenpunkt für fünf Kissen: 835 Franken. Das Paar hat sich dabei für die Komfort-Variante entschieden – die teuerste Schaumstoff-Variante, die die Firma anbietet.
«Einige bekommen schon fast Schnappatmung, wenn sie unsere Preise hören. Es ist aber ein Irrglaube, dass Schaumstoff billig ist», erklärt Berger. Zudem habe der Schaumstoff der Bolligers eine Lebensdauer von mindestens zehn bis fünfzehn Jahren.
Firma hat grosse Pläne
Wenn der Schaumstoff länger hält, macht ihn das auch nachhaltiger. Denn hergestellt wird Schaumstoff aus Erdöl. «Also aus toten Dinosauriern», schmunzelt Berger. Nachhaltige Alternativen gäbe es leider bisher nicht wirklich. Beim Naturlatex beispielsweise sei die Abholzung das Problem – sowie die Entsorgung. «Das ist in etwa so, als würde man alte Autopneu verbrennen», so Berger.
Wer seine Polster ersetzt und nicht gleich das ganze Sofa oder die ganze Gartenlounge, spart jedenfalls Ressourcen. Wenn es dann doch mal ein neues Sofa sein muss, empfiehlt Berger, sich eines auf Tutti oder Ricardo auszusuchen. «Wenn es von der Form und Farbe passt, kann man dann für eine neue Polsterung etwas mehr Geld in die Hand nehmen», so Berger. «Denn Polster ersetzen kann man praktisch immer.»
Berger hofft, das Geschäft am neuen Standort wieder richtig zum Laufen zu bringen. Denn sie hat grosse Pläne: «Mein Traum wäre ein Drive-in-Service für Camping-Matratzen nach Mass.»