Die frühere Chefin des Stromkonzerns BKW, Suzanne Thoma (60), rechnet bei der Energieversorgung mit dem Schlimmsten: «Wir müssen uns auf mögliche Stromabschaltungen vorbereiten. Es entsteht gerade ein Giftmischung», sagt sie in einem Interview mit der Zeitschrift «Bilanz», das am Freitag erscheint.
Teil der «Giftmischung» ist in ihren Augen, dass die Schweizer Stauseen «relativ wenig Wasser» hätten. Komme hinzu, dass die in die Jahre gekommenen französischen Atomkraftwerke wegen langwierigen Wartungsarbeiten nur zur Hälfte laufen und Deutschland aufgrund des Ukraine-Kriegs nicht an ausreichend Gasnachschub für seine Gaskraftwerke kommt.
Mit einer möglichen Stromabschaltung sei auch die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung gefährdet, warnt Thoma. Dennoch hielte sie es für richtig, auch die Privathaushalte beim Stromsparen in die Pflicht zu nehmen statt nur die industriellen Verbraucher. «Ich habe lieber ein bisschen kälter in der Wohnung und dafür noch eine funktionierende Wirtschaft. Da geht es um Jobs, um den Ruf der Schweiz als Industrie-, als Dienstleistungs- und Wirtschaftsplatz», sagt sie dazu.
Thoma hält Atomausstieg für einen Fehler
Für die drohende Strommangellage macht Thoma auch die Klimajugend mitverantwortlich. Die Möglichkeit von Gaskraftwerken sei auf dem Tisch gelegen. Die Klimajugend hätte Widerstand geleistet gegen diese «herkömmliche Technologie», so Thoma. «Dabei hätten die Kraftwerke den CO2-Ausstoss kaum erhöht – denn die laufen ja nur, wenn man sie wirklich braucht, und nicht das ganze Jahr.» Bei solchen Themen führten ideologische Überlegungen früher oder später in die Sackgasse, so die frühere Strommanagerin.
Auch den Ausstieg aus der Atomenergie hält sie für einen Fehler – obwohl sie höchstpersönlich als BKW-Chefin die Abschaltung des AKW Mühleberg verantwortete. «Unternehmerisch wäre der Weiterbetrieb eine gewaltige Belastung gewesen.» Aber: «Es war trotzdem ein Fehler.» Den Bau neuer Atomkraftwerke hält sie für prüfenswert.
Vekselberg und Sulzer
Im Interview äussert sich Thoma auch ausführlich zu ihrem neuen Arbeitgeber, dem Winterthurer Industriekonzern Sulzer – und dessen Grossaktionär Viktor Vekselberg (65). Der russische Oligarch Vekselberg steht wegen seiner angeblichen Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) seit 2018 auf einer US-Sanktionsliste. Er musste seither seine Anteile an Sulzer auf unter 50 Prozent senken.
Obwohl Vekselberg «nur noch» 49 Prozent an Sulzer hält, kämpft der Konzern aufgrund der Sanktionen mit Einschränkungen. Im Frühling musste Sulzer seine Niederlassungen in Polen aufgrund einer Anordnung der Regierung schliessen. Die Folge: Millionenabschreibungen!
Gefragt, ob sie heilfroh wäre, wenn er nicht mehr Grossaktionär bei Sulzer wäre, erwiderte Thoma aber: «Nein.» Er sei ein langfristig engagierter Aktionär und habe das Unternehmen über 15 Jahre begleitet in schwierigen und weniger schwierigen Zeiten. «Das muss man anerkennen.» (SDA/sfa)