Nach dem Shopping-Ausflug in Konstanz oder Lörrach bleiben viele Schweizer Einkaufstouristen noch für ein günstiges Abendessen in Deutschland. Aber aufgepasst: Ganz so günstig ist das Essen im Nachbarland bald nicht mehr.
Die deutsche Regierung hat entschieden, die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie von 7 auf 19 Prozent zu erhöhen. Das schenkt ein: Für ein Essen im Restaurant im Wert von 30 Euro fallen bisher 2,10 Euro Mehrwertsteuer an. Bald sind es 5,70 Euro.
Tiefer Steuersatz führte zu Milliardenausfällen
Der neue Mehrwertsteuersatz kommt ab 2024 zum Einsatz. Damit kehrt die deutsche Politik zur Normalität zurück: Die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie lag schon früher bei 19 Prozent. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde der Steuersatz aber vorübergehend gesenkt, um die Gastronomen zu entlasten. Seither wurde die Senkung mehrfach verlängert, etwa, weil Restaurants, Bars und Cafés seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs mit höheren Energiepreisen konfrontiert sind.
Nun reicht es der deutschen Politik allerdings mit der Nachsicht für die Gastronomie. Für den Staat hat der Steuererlass Milliardenausfälle zur Folge. Daher ist bald Schluss mit dem tiefen Steuersatz.
Deutsche Beizer zählen auf Schweizer Kundschaft
Die Gastronomen schlagen angesichts der Rückkehr zum höheren Steuersatz Alarm: Sie warnen vor einer Pleitewelle. Die Mehrwertsteuer fällt zwar nicht beim Restaurant an, sondern bei der Kundschaft. Allerdings befürchten die deutschen Beizer, dass die Kunden angesichts steigender Preise wegbleiben. 2000 von 25'500 Betrieben könnten allein im an die Schweiz grenzenden Bundesland Baden-Württemberg eingehen, warnt der baden-württembergische Verbraucherschutzminister Peter Hauk (62, CDU) im SWR.
Gerade in den Grenzregionen dürften die deutschen Gastronomen weiterhin auf die zahlungskräftige Schweizer Kundschaft hoffen, um allzu viele Pleiten abzuwenden. Allerdings: Bundesrätin Karin Keller-Sutter (59, FDP) will die Wertfreigrenze für Einkaufstouristen dem Vernehmen nach von 300 auf 150 Franken senken. Will heissen: Wer in Konstanz, Lörrach oder anderswo für mehr als 150 Euro einkauft, muss am Zoll die Schweizer Mehrwertsteuer berappen. Damit würde der Bundesrat dem Wunsch des Parlaments nachkommen, welches Massnahmen gegen den Einkaufstourismus bereits in mehreren Vorstössen gefordert hat.
Lädelisterben in der Schweiz
Gerade in der Ostschweiz macht der Einkaufstourismus den Läden das Leben schwer. Die Einkaufstouristen umgehen mit ihrem Einkaufsbummel im grenznahen Ausland nicht nur die Schweizer Mehrwertsteuer, sondern können auch noch die deutsche Mehrwertsteuer zurückverlangen. Und sie profitieren von den generell tieferen Preisen in Deutschland.
Beim Einkaufstourismus handelt es sich nicht etwa um ein Randphänomen: Laut einer Studie kauften die Schweizerinnen und Schweizer im Jahr 2022 für 8,5 Milliarden Franken im Ausland ein. Geld, das den hiesigen Detailhändlern in der Kasse fehlt.
Die tiefere Wertfreigrenze soll ab 2025 in Kraft treten. Ein Augenschein des SonntagsBlicks in Konstanz von Ende November zeigt: Viele Einkaufstouristen wollen sich den Shopping-Ausflug auch bei einer tieferen Wertfreigrenze nicht nehmen lassen. Das gibt auch den deutschen Gastronomen Hoffnung.