Die Feuerwehr des Strommarkts
Wie Swissgrid unser Stromnetz im Winter sichert

Genug Strom im Winter ist das eine, das andere ist ein stabiles Netz, das diesen transportiert. Die Schweizer Netzbetreiberin Swissgrid setzt auf ein ganzes Bündel von Massnahmen, damit das Netz auch bei Strommangel nicht zusammenbricht.
Publiziert: 01.10.2022 um 16:45 Uhr
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Die Netzbetreiberin Swissgrid bringt den Strom zu den Versorgern.
Foto: STEFAN BOHRER
Christian Kolbe

«Wenn eine Infrastruktur gut funktioniert, dann vergisst man, dass man sie hat», sagt Maurice Dierick (57), stellvertretender CEO von Swissgrid. Die Schweizer Übertragungsnetzbetreiberin ist dafür verantwortlich, dass der Strom zu den Versorgern fliesst, die damit Haushalte und Unternehmen beliefern.

Bis vor kurzem kam für die meisten der Strom aus der Steckdose. Viele Gedanken darüber, was alles dahintersteckt, haben sich die wenigsten gemacht. Das hat sich seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine radikal geändert. Das Wort Strommangellage ist in aller Munde. Auch Swissgrid ist besorgt, dass «in Bezug auf die sichere Versorgung mit Strom im Winter 2022/23 Unsicherheiten bestünden».

Schweiz ist keine Strominsel

Deshalb muss Swissgrid nun einige zusätzliche Aufgaben bewältigen, damit wir im Winter nicht im Dunkeln sitzen. Im Kampf gegen den drohenden Strommangel arbeitet die Netzbetreiberin eng mit Partnern im In- und Ausland zusammen. Technisch gebe es da keine Probleme, politisch allerdings schon ein gewisses Risiko, erklärt Dierick in einem Mediengespräch: «Da es kein Stromabkommen mit der EU gibt, haben wir keine hundertprozentige Garantie auf Solidarität, die wir sonst hätten.»

Die Schweiz ist keine Strominsel, sondern seit Jahrzehnten in den europäischen Strommarkt integriert. Die Schweiz hat so viele Grenzleitungen wie kein anderer Staat in Europa – 41 an der Zahl. Ohne grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit europäischen Partnern wäre die Versorgungssicherheit arg gefährdet.

Feuerwehr des Strommarkts

Für Dierick ist Swissgrid sozusagen die Feuerwehr des Strommarkts, vorbereitet für verschiedene Rettungsszenarien: «Die Feuerwehr weiss auch nicht, wo und wann das nächste Feuer ausbricht. Aber man könne planen, dass man genug Material und genug Leute zur Verfügung habe, die wüssten, was zu tun sei.»

Zu diesen planbaren Massnahmen gehört etwa die operative Abwicklung der Wasserkraftreserve. Diese Reserve dient zur Sicherung der Stromversorgung in der kritischen Phase gegen Ende des Winters. Das heisst, Kraftwerksbetreiber dürfen dann nicht mehr ihre ganze Produktion am Markt verkaufen, müssen einen Teil des Wassers im Stausee zurückbehalten. Steht zu wenig Strom zur Verfügung, ruft Swissgrid die notwendige Reserveenergie ab.

Zuversicht bei Swissgrid

Dazu kümmert sich Swissgrid um den Netzanschluss des Reservekraftwerks in Birr AG. Dieses kann mit Öl, Gas oder Wasserstoff betrieben werden und sollte ab Februar 2023 einsatzbereit sein. «Wir arbeiten mit Hochdruck daran, allerdings sind mögliche Lieferengpässe von Infrastrukturbestandteilen herausfordernd», erklärt Dierick. Zudem will Swissgrid im Notfall die Übertragungsleistung des Höchstspannungsnetzes erhöhen können. Damit dann auch wirklich zusätzlicher Strom aus dem Norden importiert werden kann, wenn es bei uns zu einer Mangellage kommt.

Swissgrid verströmt Zuversicht, dass zumindest das Netz so stabil ist, dass es sämtlichen Herausforderungen einer kritischen Versorgungslage gewachsen ist. Ob dann auch genug Strom produziert werden kann, liegt nicht in den Händen der Netzbetreiberin.


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