Auf einen Blick
- Deutsche Schuldenbremse steht von Links unter Beschuss
- Alle Parteien warten mit Steuergeschenken auf
- Atomkraft ist plötzlich wieder en vogue – zumindest bei den Bürgerlichen
Der Wirtschaftsmotor Deutschlands stottert mächtig. 2024 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erneut zurückgegangen – zum zweiten Mal in Folge. Und für dieses Jahr sieht es mit einer Wachstumsprognose von 0,3 Prozent nicht viel rosiger aus. Das muss auch der Schweiz Sorgen bereiten. Denn wenn unser Nachbar kränkelt, hustet auch die hiesige Wirtschaft.
Blick hat deshalb die Wirtschaftspläne der sieben Parteien, die bei der Bundestagswahl am Sonntag realistische Chancen auf den Einzug in den Deutschen Bundestag haben, analysiert: die Union aus CDU und CSU, die SPD, die Grünen, die AfD, die FDP, Die Linke sowie das 2024 gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Schuldenbremse – brauchts eine Reform?
Deutschlands Infrastruktur ist marode. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) besteht für die nächsten zehn Jahre ein Investitionsbedarf von 600 Milliarden Euro. Das Problem: Die Schuldenbremse deckelt die maximal möglichen Schulden. Gleichzeitig ist der deutsche Staatshaushalt bereits arg strapaziert. Letztmals schrieb Deutschland 2019 kein Minus. Mehrausgaben ohne Sparmassnahmen liegen also nicht drin.
Der Streit um die Schuldenbremse, der letztlich zum Aus der Ampelkoalition führte, schwelt deshalb weiter – bis ins bürgerliche Lager hinein. Zwar will die Union an der Schuldenbremse festhalten. Nur: Ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz (69) gab sich zuletzt mehrfach offen für die Reform der Schuldenbremse. Strikt an der bestehenden Regel festhalten wollen AfD und FDP. Letztere verspricht stattdessen, Subventionen zurückzufahren und Staatsbeteiligungen zu veräussern, um finanziell aufzustocken. Die AfD fordert unter anderem, Klimaprojekte zu beenden.
SPD und Grüne bauen hingegen auf eine grundlegende Reform der Schuldenregel. Gleichzeitig bringen die beiden Parteien auch einen Deutschlandfonds ins Spiel, um Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Bildung zu finanzieren. Die SPD von Olaf Scholz (66) nennt auch eine konkrete Summe: 100 Milliarden Euro. Das BSW von Sahra Wagenknecht (55) will die Schuldenregel auflockern. Noch weiter geht Die Linke, die als Einzige die Abschaffung der Schuldenbremse fordert.
Steuerpolitik – (fast) alle wollen senken
Mehr Geld für die Mittelschicht und mehr Anreize fürs Arbeiten: Alle sieben Parteien versprechen vor der Wahl steuerliche Entlastungen. Die Folge: Die jeweiligen Steuerpläne führen laut einer IW-Studie zu Mindereinnahmen beim Bund – mit einer Ausnahme: jene der Linke. Sie will mit Steuern «Milliardäre abschaffen» und «Schlupflöcher für die Reichen schliessen» – was steuerliche Mehreinnahmen von 169 Milliarden Euro im Jahr generieren würde. Auch SPD, Grüne und BSW möchten Vermögende und Spitzenverdiener stärker belasten. Steuergeschenke soll es dagegen für die arbeitende Mitte und die Geringverdienenden geben.
Laut der Erhebung tritt Alice Weidel (46) mit der AfD am stärksten für Steuersenkungen ein. Christian Lindners (46) FDP steht ebenfalls für hohe steuerliche Entlastungen – auch für Reiche. Die Union plant ähnliche Steuererleichterungen, jedoch deutlich weniger stark. FDP und Union wollen die tieferen Steuern etwa mit Sparmassnahmen gegenfinanzieren. Trotzdem hält das Institut der deutschen Wirtschaft in einer Mitteilung fest: «Unklar bleibt bei allen Vorschlägen, woher das Geld dafür kommen soll.»
Energiepolitik – Rückkehr zur Atomkraft?
Um den Wirtschaftsmotor wieder zum Laufen zu bringen, setzen sich alle Parteien für günstigere Energiepreise ein – mit unterschiedlichen Rezepten. Wie in der Schweiz hat die Atomkraft wieder Aufschwung. So wollen FDP und AfD Angela Merkels (70) Atomausstieg rückgängig machen und wieder Kernkraftwerke in Betrieb nehmen. Die Union bezeichnet die «Kernenergie als Option». Und das BSW gibt sich «technologieoffen» bei neuen Ansätzen im Bereich der Kernfusion. AfD und das Wagenknecht-Bündnis fordern zudem die Rückkehr zu russischem Gas.
Die linken Parteien bauen auf andere Mittel für günstigere Energiepreise. Robert Habeck (55) und seine Grüne setzen auf die Förderung einer nachhaltigen und ökologischen Wirtschaft. Die SPD propagiert tiefere Strompreise. Und Die Linke fordert 200 Milliarden Euro für den sozialökologischen Umbau der Industrie.
Bürokratie – Abbau ist nötig
Die deutsche Bürokratie ist der Bremsklotz der eigenen Wirtschaft. Mit Ausnahme der Linke, die den Begriff in ihrem Wahlprogramm nie erwähnt, herrscht darüber bei allen Parteien Einigkeit. Am deutlichsten werden Union, FDP und AfD. CDU/CSU drängen auf einen Bürokratie-Check, die FDP fordert gar einen dreijährigen Bürokratie-Stopp. Und Weidels AfD möchte «auf breiter Front» deregulieren. Zudem will die AfD die EU grundlegend reformieren – und das «Experiment Euro geordnet beenden».