Der Chef der Schweizer Börse über die Zukunft des Bargelds
«In fünf Jahren ist jeder zweite Bancomat verschwunden»

Jos Dijsselhof, Chef der SIX Group, ist für den Zahlungsverkehr in unserem Land verantwortlich. Mit SonntagsBlick spricht er über den Einfluss der Banken, Börsengänge im Ausland und die Zukunft von Twint.
Publiziert: 22.01.2022 um 16:37 Uhr
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Aktualisiert: 22.01.2022 um 21:01 Uhr
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Jos Dijsselhof ist seit 2018 CEO der SIX-Gruppe.
Foto: NILSSANDMEIER.COM
Interview: Thomas Schlittler

Herr Dijsselhof, wie denken Sie als CEO von SIX über Covid-19?
Jos Dijsselhof: Die Pandemie tut der Gesellschaft nicht gut. Die Geduld ist bei vielen aufgebraucht, das merken wir auch bei unseren Mitarbeitenden. Ich hoffe deshalb sehr, dass das Ganze bald vorbei ist. Aus geschäftlicher Sicht sind wir aber zum Glück recht gut durch die Krise gekommen.

Sie untertreiben: Für SIX war die Pandemie ein Segen. An der Börse wurde so viel gehandelt wie nie. Die Transaktionsgebühren bescherten Ihnen Rekordeinnahmen.
Die Unsicherheit im Jahr 2020 hat tatsächlich zu neuen Rekorden beim Handelsvolumen geführt. 2021 hatten wir erneut ein gutes Jahr, die Lage hat sich aber wieder normalisiert. Langfristig ist die permanente Unsicherheit auch für uns als Börsenbetreiberin und Finanzdienstleisterin schlecht. Schliesslich hängt unser Erfolg von der Realwirtschaft ab.

Ist das so? Betrachtet man die Gewinne der Finanzbranche während dieser Pandemie, so wähnt man sich im Casino: Egal, was passiert, am Ende gewinnt immer die Bank.
Diese Einschätzung teile ich nicht. Auf lange Sicht können die Schweizer Banken nur erfolgreich sein, wenn auch die Schweizer Unternehmen erfolgreich sind. Auch die Erfolge der SIX sind nur möglich, weil sich die Schweizer Wirtschaft in der Krise als sehr widerstandsfähig erwiesen hat. Ich möchte jedoch festhalten, dass wir keine Bank sind.

Persönlich: Jos Dijsselhof

Der Holländer Jos Dijsselhof (56) ist seit 2018 CEO der SIX-Gruppe. Deren 3500 Mitarbeitende betreiben nicht nur die Schweizer -Börse, -sondern sind auch für einen grossen Teil der hiesigen Zahlungsinfrastruktur verantwortlich. Vor seinem Wechsel in die Schweiz leitete Dijsselhof das operative Geschäft der Börsenbetreiberin Euronext. Er hat mit seiner Frau zwei Kinder und lebt in Adliswil ZH.

Der Holländer Jos Dijsselhof (56) ist seit 2018 CEO der SIX-Gruppe. Deren 3500 Mitarbeitende betreiben nicht nur die Schweizer -Börse, -sondern sind auch für einen grossen Teil der hiesigen Zahlungsinfrastruktur verantwortlich. Vor seinem Wechsel in die Schweiz leitete Dijsselhof das operative Geschäft der Börsenbetreiberin Euronext. Er hat mit seiner Frau zwei Kinder und lebt in Adliswil ZH.

Aber die SIX gehört den Banken. Ihre Hauptaktionäre sind UBS, Credit Suisse und die Kantonalbanken. Wie viel Einfluss nehmen die Eigentümer?
Die Aktionäre haben natürlich Vertreter bei uns im Verwaltungsrat und nehmen dadurch Einfluss auf unsere Strategie.

SIX betreibt fast alle Bancomaten in der Schweiz. 2020 ist die Zahl der Bargeldbezüge stark eingebrochen, zeitweise um bis zu 50 Prozent. Setzte sich dieser Trend im vergangenen Jahr fort?
Die Zahl der Bargeldbezüge hat sich wieder stabilisiert, allerdings auf tieferem Niveau als vor Covid. Der Trend ist eindeutig: Bargeld hat einen schweren Stand. Unser Monitoring, das wir für die Banken machen, zeigt zudem, dass viele Bancomaten ein Verlustgeschäft sind. In der Schweiz gibt es heute rund 7000 Bancomaten. Das sind eindeutig zu viele.

Das heisst?
Niemand verliert gerne Geld für ein Angebot, das viel weniger nachgefragt wird. In fünf Jahren wird voraussichtlich jeder zweite Bancomat in der Schweiz verschwunden sein. In Zukunft wird auch nicht mehr jede Bank ihre eigenen Bancomaten haben, sondern der Betrieb wird an eine Drittfirma ausgelagert – möglicherweise an uns. Der Bancomat der Zukunft wird anhand der Karte erkennen, bei welcher Bank der Kunde sein Konto hat, und sein Erscheinungsbild dementsprechend anpassen. Das ist im Ausland schon gelebte Realität.

Bargeld ist die alte Welt, Mobile Payment die neue. SIX ist auch an Twint beteiligt. Was sind dort die Pläne?
Twint hat durch Corona zusätzlichen Schub erhalten. Mittlerweile gibt es in der Schweiz mehr als vier Millionen aktive Nutzer. Um die App attraktiv zu halten, wird laufend daran gearbeitet, die Zahl der Akzeptanzstellen zu erhöhen. Ganz wichtig ist auch der Blick über die Landesgrenzen hinaus. Wir müssen dafür sorgen, dass man in Zukunft auch im Ausland mit Twint bezahlen kann. Das wird schon bald der Fall sein.

2021 wagten 13 Schweizer Firmen den Schritt an die Börse. Das ist viel im Vergleich zu anderen Ländern. Die Mehrheit dieser Firmen hatte ihr IPO jedoch im Ausland, meist in den USA. Wieso?
Schweizer Firmen haben komplett unterschiedliche Gründe, wieso sie im Ausland an die Börse gehen. Die Sportartikel-Firma On zum Beispiel sieht in den USA grosses Wachstumspotenzial, deshalb machte ein IPO in New York aus ihrer Sicht Sinn. Biotech-Start-ups zieht es in die USA, weil sie dort mehr Risikokapital erhalten als in Europa. Das ist aber nicht neu. Börsengänge im Ausland hat es immer gegeben und wird es auch immer geben. Damit müssen wir leben. Insgesamt ist die Schweizer Börse aber sehr gut aufgestellt.

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Die Finanzmärkte sind globaler denn je. Ein vielversprechendes Start-up aus der Schweiz, das in New York an die Börse geht, muss trotzdem nicht auf Kapital aus der Schweiz verzichten. Was spricht da noch für ein IPO in Zürich?
Es gibt tatsächlich eine Tendenz zur Konsolidierung. Das betrifft aber vor allem die kleinen Marktplätze. Die Schweiz dagegen hat die drittgrösste Börse Europas. Wir sind ein grosser Player an einem der grössten Finanzmärkte der Welt und deshalb nach wie vor attraktiv für IPO. Vielleicht generieren die Firmen hierzulande am Anfang etwas weniger Kapital, auf lange Sicht gesehen fährt man bei uns aber oft besser. Teilweise haben Firmen, die in den USA an die Börse gegangen sind, deshalb gar Interesse, in die Schweiz zurückzukommen. Auf dem riesigen US-Markt besteht die Gefahr, übersehen zu werden.

Vor einigen Monaten haben Sie das neue Segment «Sparks» lanciert, das Schweizer KMU die Kapitalbeschaffung erleichtern soll. An wen richtet sich dieses Angebot genau?
Es richtet sich an Firmen, für die der grosse Aufwand eines IPO an der Hauptbörse noch zu gross ist, die aber trotzdem auf dem Kapitalmarkt neue Gelder akquirieren wollen. Das können sowohl klassische Start-ups sein als auch traditionelle Familienunternehmen, die seit vielen Jahren erfolgreich bestehen.

Wieso braucht es das? Die Konditionen für einen Kredit bei der Hausbank sind ja besser denn je.
Die Banken sind bei der Kreditvergabe für Unternehmen auch aufgrund der Kapitalvorschriften teilweise sehr strikt. Zudem gibt es Firmen, die möglichst unabhängig sein wollen von ihrer Bank. In den USA finanzieren sich KMU zu 70 Prozent über die Kapitalmärkte und nur zu 30 Prozent über Banken. Bei uns ist es genau umgekehrt. Wir sehen deshalb grosses Potenzial für unser neues Angebot.

Im Februar stimmt die Schweiz über die Abschaffung der Emissionsabgabe ab. Diese Stempelsteuer von einem Prozent wird fällig, wenn ein Unternehmen Eigenkapital beschafft, indem es etwa Aktien ausgibt. Welche Auswirkungen hätte ein Ja für die SIX?
Die Kapitalbeschaffung in der Schweiz würde dadurch attraktiver im Vergleich zu anderen Ländern. Wir würden eine Abschaffung deshalb begrüssen.

Gibt es wirklich Firmen, die aufgrund dieser Ein-Prozent-Steuer auf eine Kapitalerhöhung verzichten?
Die Stempelsteuer kann für einige durchaus einen Einfluss haben. Es ist aber sicher nicht das entscheidende Kriterium. Dennoch gibt es eine solche Steuer in kaum einem anderen Land. Die Abschaffung wäre deshalb eine gute Sache, weil sie die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandorts stärkt.

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