Ein Kind kreischt aufgeregt im Hintergrund. Kein Wunder, denn Odette Lang (58) hat nun öfter Zeit, sich um ihr Enkelkind zu kümmern. Nebst der Chilbi bereite ihr nur das Kinderhüten in der Corona-Krise noch ausserordentlich viel Spass, sagt sie im Gespräch mit Blick. Zu schaffen macht ihr der inzwischen über einjährige Lockdown der Schaustellerbranche. Eigentlich ginge die Saison jetzt im April wieder richtig los, doch Jahrmarkttreiben und Messen sind in der dritten Corona-Welle undenkbar. «Ich weiss nicht, wie es nun weitergehen soll», sagt Lang.
Sie ist Schaustellerin in der dritten Generation und betreibt einen eigenen Schiess- und Spielbetrieb, Lang besitzt mehrere Jahrmarktwagen. Mit den verschiedenen Festwagen ist sie in normalen Zeiten an 32 Wochenenden im Jahr in der ganzen Deutschschweiz unterwegs.
Aufgeben steht nicht zur Debatte
Im Corona-Jahr waren es gerade mal sechs Wochenenden. Fast alle Chilbis und Anlässe im Frühling seien bis Juni abgesagt, so Lang. Sie ergänzt: «Meine Schiess- und Spielgeschäfte stehen immer noch im Winterquartier.»
Bisher konnte sie für die nächsten Monate nur wenige Verträge abschliessen. Und immer war eine Klausel mit dabei, dass sie bei einer Absage wegen Corona keinen Rappen erhalte.
Odette Lang bleibt nun nicht viel anderes übrig, als abzuwarten. «Solange Hoffnung besteht, will ich mich gar nicht damit auseinandersetzen, aufhören zu müssen», sagt sie. Das Geschäft bedeute ihr unglaublich viel. Die 58-Jährige kann und will sich keine andere Arbeit suchen. Sie habe sich alles hart erarbeitet. Ihr Herzblut steckt im Schiess- und Spielbetrieb. Aufgeben? «Auf keinen Fall.»
Hoffnung trotz dramatischer Lage
Das Geschäft hat im letzten Jahr sehr gelitten. Im Vergleich zum Vorjahr machte Lang 85 Prozent weniger Umsatz: «Das hinterlässt ein sehr beklemmendes Gefühl. Jetzt ist die Lage wirklich dramatisch.»
Vom Bundesrat und den Behörden wünscht sie sich mehr Beachtung. Das ist auch die Haltung des Schausteller-Verbandes Schweiz (SVS). «Wir fühlen uns alleingelassen. Viele Schausteller sind nicht nur wirtschaftlich, sondern auch psychisch am Ende. Jetzt geht es um die Existenz vieler Betriebe», sagt Peter Howald (66), Präsident des Schausteller-Verbandes.
Die zehn Prozent finanzielle Unterstützung im Härtefallgesetz reichten keineswegs aus. Howald hofft, dass ab Mai oder Juni die Obergrenze für Veranstaltungen auf 1000 Personen angehoben und ab Herbst zum Normalzustand zurückgekehrt wird.
Odette Lang gibt die Hoffnung ebenfalls nicht auf. Sie kann vorerst noch weitermachen. Und wartet ab, hofft auf wieder sinkende Corona-Fallzahlen. Froh ist sie für den Erwerbsersatz. Ihr Härtefallgeld ist inzwischen teilweise eingetroffen. «Dank dem starken, unermüdlichen Einsatz unseres Geschäftsverbandes SVS habe ich, Gott sei Dank, Härtefall-Unterstützung erhalten», sagt Lang. Das macht ihr Mut, nicht aufzugeben.