Auch Gross-Gastronomen sind in Härtefall-Not
«Wir haben bis heute keinen Rappen gesehen»

Nach Kurzarbeit und Corona-Krediten warten viele Gastro-Unternehmen nun auf Härtefall-Auszahlungen. Für viele ist das die einzige Hoffnung, den laufenden Lockdown zu überstehen. Das Problem: Grössere der Branche müssen um Härtefall-Hilfen besonders kämpfen.
Publiziert: 06.03.2021 um 10:04 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2021 um 15:13 Uhr
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Für grössere Ketten wie das La Focacceria in St. Gallen mit sieben Filialen ist das Antragsformular für Härtefall-Entschädigung nicht wirklich ausgerichtet.
Foto: Thomas Meier
Franziska Scheven

Eigentlich hätte Gastronom Enrico Himmelberger (54) schon längst die angekündigte maximale Härtefall-Entschädigung erhalten sollen. Der Bund hatte Unternehmern wie ihm bis zu 750’000 Franken zugesichert. Sein Restaurant-Betrieb Dine & Drink GmbH im Kanton Thurgau, zu dem die Filialen Tres Amigos und Stars and Stripes gehören, ist seit November letzten Jahres mindestens 40 Tagen am Stück geschlossen geblieben. Vor Corona machte er 20 Millionen Franken Umsatz im Jahr. Alles Voraussetzungen, die laut den Härtefall-Kriterien des Bundes eine Entschädigung rechtfertigen.

Aber die Realität sieht anders aus: «Wir haben bis heute keinen Rappen gesehen», sagt Mitinhaber Himmelberger über die versprochenen Härtefall-Hilfen. Zusammen mit seinem Partner Hansueli Wagner (56) betreibt er insgesamt zwölf Betriebe in sechs Kantonen mit 220 Mitarbeitenden.

Fokus liegt auf kleineren Unternehmen

Aber: Die Unternehmer hadern mit der Bürokratie. «Die Antragsformulare werden meiner Unternehmensstruktur nicht gerecht», sagt Himmelberger. «Ich kann hier nicht abbilden, wie es mir betriebswirtschaftlich tatsächlich geht, und entsprechend greifen die Entschädigungsmechanismen nicht.»

Hätte er viele kleine Einzelbetriebe, wäre es für ihn viel einfacher. «Wenn ich für die Filialen einzelne Firmen wie eine GmbH oder AG gegründet hätte, könnte ich für jeden Standort einzeln ein Härtefallgesuch stellen und so wohl schneller und mehr Geld erhalten.»

Kanton deckelt Auszahlungen

Die Voraussetzungen für einen Antrag auf Härtefall-Entschädigungen begünstigen in den meisten Kantonen die kleinen Unternehmer. Davon gibt es im Thurgau nämlich deutlich mehr. «Ketten in der Grössenordnung wie das Dine & Drink, wo sich Filialen auch in anderen Kantonen befinden, sind eher die Ausnahme im Thurgau», bestätigt Ruedi Bartel (64), Präsident des Branchenverbands Gastro Thurgau.

Auch an anderer Stelle erkennt man die klare Ausrichtung, eher den Kleinen zu helfen: Obwohl der Bund einen Maximalbetrag von 750'000 Franken pro Betrieb gewährt, ist dieser im Thurgau gedeckelt. «Die Plafonierung von 500'000 Franken wurde bewusst gewählt, um der Thurgauer Wirtschaftsstruktur mit den zahlreichen Kleinst- und Kleinunternehmen Rechnung zu tragen», schreibt der Kanton auf Nachfrage vom BLICK.

Aber auch bei den Kleinen läuft die Auszahlung schleppend voran: Von den 600 bis 800 eingetragenen Gastro-Unternehmen haben laut dem Kanton Thurgau rund die Hälfte bereits einen Antrag auf Härtefallentschädigung eingereicht. Lediglich 38 Betriebe davon erhielten bisher eine Auszahlung – das entspricht einer Summe von 3,5 Millionen Franken.

Kein persönlicher Kontakt

Nicht nur im Thurgau haben es derzeit kleinere Unternehmen leichter. Der Unternehmer Florian Reiser (45) aus St. Gallen steht vor einem ähnlichen Problem. Er betreibt das Gastrounternehmen La Focacceria mit insgesamt sieben Filialen in zwei unterschiedlichen Kantonen mit einem Jahresumsatz von sieben Millionen Franken. Auch er hat bisher keine Härtefall-Entschädigung erhalten.

Seinen Antrag hat er bereits eingereicht. «Alles kann nur online ausgefüllt werden, aber in dem Formular habe ich nur 1000 Zeichen zur Verfügung, inklusive Leerzeichen, um meine umfangreiche Situation zu beschreiben», hadert er. «Das reicht bei meinem Unternehmen einfach nicht.»

Härtefall-Zahlungen soll besser angepasst werden

Selbst wenn die Anträge durchkämen, stünden die Unternehmer vor einem weiteren Problem. Für Firmen mit Millionenumsätzen, wie die Unternehmen von Reiser und Himmelberger, wäre selbst der bisherige Maximalbetrag von 750'000 Franken Härtefall-Hilfe nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Das hat mittlerweile auch der Bund erkannt.

In Zukunft sollen Härtefall-Zahlungen für Grossunternehmer aufgestockt werden. Aber: Wie hoch die Summe sein wird und welchen Teil davon die Kantone und welchen der Bund übernehmen wird, sei derzeit noch Gegenstand von Diskussionen im Parlament, so ein Sprecher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD). Der Unternehmer Himmelberger gibt die Hoffnung nicht auf: «Hier zeichnet sich vielleicht endlich eine Lösung ab.»

So steht es derzeit um die Härtefallhilfen

Die Härtefall-Hilfen liegen derzeit beim Parlament. Die beiden Kammern überarbeiten die Höhe der Gelder und die Konditionen, die stark betroffene Firmen aufgrund angeordneten Schliessungen erhalten sollen. Der Ständerat hat nun einen ersten Vorschlag vorgelegt: Demnach soll der Bund 80 Prozent der Kosten bei kleinen Firmen, die sich als Härtefall qualifiziert haben, übernehmen. Maximal könnten diese Firmen dann bis zu einer Million Franken beantragen. Auch grössere Härtefall-Unternehmen sollen nun mehr Hilfen erhalten. Finanzminister Ueli Maurer beziffert die bisher ausbezahlten Härtefallgelder auf zwischen 500 Millionen und einer Milliarde. Bis Ende Februar gingen 30'000 Anträge ein. Davon seien 12'000 bislang bewilligt worden. Franziska Scheven

Die Härtefall-Hilfen liegen derzeit beim Parlament. Die beiden Kammern überarbeiten die Höhe der Gelder und die Konditionen, die stark betroffene Firmen aufgrund angeordneten Schliessungen erhalten sollen. Der Ständerat hat nun einen ersten Vorschlag vorgelegt: Demnach soll der Bund 80 Prozent der Kosten bei kleinen Firmen, die sich als Härtefall qualifiziert haben, übernehmen. Maximal könnten diese Firmen dann bis zu einer Million Franken beantragen. Auch grössere Härtefall-Unternehmen sollen nun mehr Hilfen erhalten. Finanzminister Ueli Maurer beziffert die bisher ausbezahlten Härtefallgelder auf zwischen 500 Millionen und einer Milliarde. Bis Ende Februar gingen 30'000 Anträge ein. Davon seien 12'000 bislang bewilligt worden. Franziska Scheven

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