Waldkirch, St. Gallen. Knapp 3000 Einwohner leben hier. Die Migros betreibt einen Golfklub am Dorfrand. Aktuell läuft dort aber nichts. Das Grün ist geschlossen, die Bälle bleiben am Boden.
Auch der Shop von Yann Güttinger (34) ist zu. Normalerweise würde er sich jetzt auf den Ansturm im Frühling vorbereiten. «April, Mai und Juni sind die stärksten Monate», sagt der Unternehmer mit Handicap 15. Aber in Corona-Zeiten läuft alles anders. Güttinger kämpft mit den Folgen des zweiten Lockdowns. Er will Härtefallhilfe beantragen, sucht das Gespräch mit dem Kanton, hat danach aber nur noch mehr Fragen.
Das Problem ist die vom Bundesrat verabschiedete Verordnung. Sie ist ein Flickwerk mit dringendem Nachbesserungsbedarf. Unternehmer wie Güttinger, die in mehreren Kantonen tätig sind, stehen vor einem grossen Problem: Wer zahlt für den Umsatzverlust?
«Zu viele Firmen fallen durch die Maschen»
Güttingers Firma ist in St. Gallen domiziliert. Der Sitz ist in Waldkirch. Güttinger betreibt aber auch noch andere Shops. Seine AG ist in sechs Kantonen aktiv. Wer zahlt nun die Härtefallhilfe: der Sitzkanton? Oder der Kanton, wo der Umsatz erzielt wird? Das wären dann sechs verschiedene Kantone. Im Extremfall müsste ein Unternehmer also 26 Gesuche einreichen. Wäre es da nicht einfacher, wenn der Bund die ganzen Kosten übernimmt?
Die Situation ist prekär. «Zu viele Firmen fallen durch die Maschen», sagt Hans-Ulrich Bigler (62), der oberste Vertreter des Schweizer Gewerbes. Der Wurf des Bundesrats von Mitte Januar sei «in wesentlichen Punkten unklar». «Wir haben viele Rückmeldungen von der Basis. Sie klagen darüber, dass sie kurz vor dem Konkurs stehen und kein Geld erhalten», so der Gewerbevertreter.
Rückendeckung erhält Bigler von zahlreichen Verbänden, vom Textilverband bis hin zum Verband der Sportfachhändler. «Für viele Geschäfte wird es jetzt richtig hart», sagt etwa Peter Bruggmann (58) von den Sporthändlern. Der Bundesrat habe schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen. Ueli Maurer (70) sprach von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von drei Stunden pro Antrag. «Aktuell sind wir weit weg davon», so Bruggmann.
«Das Problem ist erkannt»
Kleine Firmen sind genauso von diesem Problem betroffen wie grosse Unternehmen. Prominentes Opfer der unklaren Regelung ist der Gastro-Gigant Bindella. 40 Restaurants firmieren unter dem Dach einer Zürcher Holding. Die Pfannen der Gruppe glühen aber auch in Luzern, Bern oder in Schaffhausen. Die Betriebe sind über das ganze Land verteilt. Wer zahlt jetzt die Härtefallhilfe: Zürich? Die Frage ist ungeklärt.
Bei Bindella kommt ein weiteres Problem dazu: Die Verordnung sieht eine maximale Entschädigung von 750'000 Franken vor. «Der Betrag ist zu tief», sagt Daniel Müller (61). Er leitet die Gastronomie der Bindella-Gruppe.
Müller hofft auf eine schnelle Lösung. Gleiches macht Güttinger. Und tatsächlich will der Bund bis Mitte Februar nachbessern, denn neben dem Gewerbe machen auch die Kantone Druck. Allen voran der Holding-Himmel Zug. Die tiefen Steuern haben jahrelang Firmen in den Kanton gelockt und für grosse Überschüsse bei der Jahresrechnung gesorgt. Für 2020 rechnet Zug sogar mit einem Rekordgewinn von über 250 Millionen Franken. Jetzt kann es aber knüppeldick kommen, wenn Zug als Sitzkanton die grosse Kasse öffnen muss.
Telefonkonferenzen à gogo
«Das Problem ist da», bestätigt der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (60). «Aber das Problem ist erkannt. Wir arbeiten an einer Lösung.» Ein grösserer Fall habe die Schwächen der Härtefallverordnung bereits im Januar ans Licht gebracht. Da geht es um eine Holding, die in Zug domiziliert ist, aber den Umsatz in erster Linie in den Niederlassungen in Zürich und Genf macht. Es geht um das richtig grosse Geld. Der Kanton Zug hat den Fall in die Arbeitsgruppe des Bundes getragen.
Seither laufen die Drähte heiss. Eine Telefonkonferenz jagt die nächste. In der Leitung sind Kantonsvertreter, Verbandsleute, selbst Bundesräte. Die letzte Unterredung fand am Freitagnachmittag statt. Zwei Stunden dauerte das Krisengespräch. Um Punkt 15 Uhr war Schluss, die Bundesräte mussten weg.
Das Geschacher geht derweil weiter. Bis Mitte Februar soll eine Lösung auf dem Tisch sein. Dann sollen Kleinunternehmer wie Güttinger, aber auch Gastro-Grössen wie Bindella endlich wissen, wer sie entschädigen muss.