Souvenir-Unternehmer Helle und Jean-Luc Bögli verzweifeln an ausbleibenden Corona-Hilfen
«Wir haben alles verloren»

Seit dem Lockdown verkauften die sieben Edelweiss-Shops von Souvenir-König Jean-Luc Bögli über Nacht nichts mehr. Da er anders als Hotels und Beizen im Sommer nichts wettmachen konnte und nicht an Hilfsgelder kam, fiel er durch alle Maschen. Er steht vor der Pleite.
Publiziert: 22.01.2021 um 01:22 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2021 um 15:13 Uhr
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Der neu umgebaute Edelweiss-Shop an bester Lage im Zürcher Hauptbahnhof ist seit Dezember zu.
Foto: CG
Claudia Gnehm

Die Corona-Krise hat aus dem Lebenswerk von Souvenir-Unternehmer Jean-Luc Bögli (44) einen Scherbenhaufen gemacht. Im Januar und Februar 2020 erlebten seine Edelweiss-Shops in Zürich, Interlaken BE und Genf sowie seine 60 Mitarbeitenden und 190 Handelskunden noch die erfolgreichsten Monate überhaupt. Doch dann blieben die Touristen weg.

«Wir haben alles verloren», sagt der Selfmade-Unternehmer zu BLICK. Zuerst blieben die Touristen aus Asien fern, dann brachen die Umsätze während des Lockdowns im Frühling komplett weg. Über Monate kämpfte der Chef der grössten Schweizer Souvenir-Kette gegen den Untergang.

Vermieter blieben hart

Er ergriff die Flucht nach vorne. Und stellte während des Lockdowns im Edelweiss-Shop Interlaken eine Crêperie auf die Beine. Ein Lichtblick: Statt Touristen aus Übersee hatte er regen Betrieb von heimischen Kunden, berichtete er im Juli. Im Winter wollte er im Edelweiss-Shop in Zürich ebenfalls eine Crêperie eröffnen.

So weit kam es nicht. Die Kassen blieben de facto leer, die Betriebskosten sowie Mieten der sieben Shops in der Höhe von monatlich 150'000 Franken türmten sich. Der Covid-Kredit von 500'000 Franken, den er erhielt, war schnell aufgebraucht. Denn dieser entsprach bloss fünf Prozent des Vorjahresumsatzes. Nicht alle waren bereit, ihm bei der Miete entgegenzukommen.

Erschwerend kam hinzu: Nach den zwei guten Vorjahren hatte er den Umbau von zwei Läden und eine Neueröffnung für den Frühling 2020 von langer Hand geplant und Investitionen in der Höhe von 400'000 Franken getätigt. Das seien keine Risikoinvestitionen gewesen. Zudem habe das Unternehmen nie eine Unterdeckung gehabt, immer alle Rechnungen bezahlt, betont er. Selbst bei einem Umsatzeinbruch von 20 Prozent hätte er keine Liquiditätsengpässe erwartet.

Bei Hausbank abgeblitzt

Mit der Pandemie brach der Umsatz um 80 Prozent ein. In den drei Shops am Flughafen Zürich betrug der Einbruch gar 90 Prozent. Immer mehr in Liquiditätsnot versuchte Bögli bereits bezahlte Lagerware im Wert von 4 Millionen Franken an seine 190 Händler und anderswo zu verkaufen. Aber es sei überall tote Hose gewesen, erklärt seine Frau Helle Bögli (33), mit der er drei Kinder hat.

«Wir kriegten grosse Existenzängste und haben das Staatssektretariat für Wirtschaft, den Kanton Zürich, Tourismusorganisationen und Banken um Hilfe gebeten», erzählt Helle Bögli, Sekretärin und Chefin der Crêperie. Doch selbst bei der Hausbank seien sie abgeblitzt. Diese habe auf das schwierige Tourismusumfeld verwiesen. Die Firma fiel durch das staatliche Corona-Hilfenetz, war im freien Fall.

Deshalb beschloss Bögli im Oktober einen Befreiungsschlag und versuchte, den erfolgreichsten Laden in Genf zu verkaufen. Kaufinteressenten waren schnell zur Stelle, aber nur zu einem schlechten Preis. Kommt hinzu, dass der Stadtkanton im Oktober überraschend einen Lockdown verordnete. Der Unternehmer blieb auf Lohn- und Betriebskosten von 50'000 Franken pro Monat sitzen. Er musste seine Angestellten entlassen, den Lohn aber weiter bezahlen.

Kein Ausweg mehr gesehen

Im Dezember deponierte Bögli die Bilanz. «Er war in einer sehr schlechten Verfassung, und ich wollte ihn davon abhalten», sagt Helle Bögli. Ihr Mann habe für das Geschäft gelebt, habe alles reinvestiert. Nicht einmal für die Hochzeitsreise oder die Geburt der Kinder habe er frei genommen.

Über die Jahre habe er 350 Millionen Franken Löhne und Abgaben immer pünktlich bezahlt, sei nie betrieben worden. Das Ehepaar ist enttäuscht von der Schweizer Regierung, die noch im März sagte, niemanden im Stich zu lassen. «Wie kann es sein, dass binnen eines Jahres von einer ehemals gesunden Firma nichts mehr übrig ist und wir als Familie vor dem Nichts stehen?»

Die Behörden hätten noch im Dezember gesagt, dass Hilfe im Kanton Zürich frühestens im April komme, deshalb habe ihr Mann nur noch den Konkurs gesehen. Nun stellten Bund und Kanton plötzlich neue Härtefallgelder und A-fonds-perdu-Beiträge in Aussicht. Das Unternehmen würde die Härtefall-Bedingungen erfüllen, so das Ehepaar. Deshalb wollten sie weiter um Hilfe kämpfen – auch für die Zukunft ihrer drei kleinen Kinder.

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