Die Schweizer Bevölkerung fährt auf Graubünden ab: Während Touristikerinnen und Touristiker in tiefer gelegenen Winterdestinationen auf Zweckoptimismus machen, ist die gute Laune in Graubünden echt. Das Geschäft rauscht, die Buchungszahlen stimmen, der Skiticketverkauf läuft.
Der Kanton Graubünden knüpft trotz schweizweiten Schneemangels an das starke letzte Jahr an, in dem die Hotellerie rekordverdächtige 5,45 Millionen Logiernächte verzeichnete. Damit steht der Kanton schweizweit auf Platz 1. Das mag am sympathischen Dialekt, der Schneesicherheit und der guten Erreichbarkeit liegen. Graubünden ist von den deutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg, der Po-Ebene in Italien oder der Nordschweiz in wenigen Stunden erreichbar. Für den touristischen Erfolg reicht das als Begründung aber kaum aus.
Arbeiten die Bündner besser zusammen?
Die Verantwortlichen im Kanton Graubünden haben in den letzten 15 Jahren vieles richtig gemacht. Wohl ein wenig mehr als andernorts. Der Kanton hat als erster im grossen Stil auf Mountainbike-Tourismus gesetzt. Im Wallis und im Berner Oberland stritten sich die verschiedenen Interessengruppen jahrelang, ob Mountainbike-Gäste überhaupt erwünscht sind. In Graubünden setzten sich die Involvierten an einen Tisch und entschieden sich für eine Koexistenz von Wanderern und Bikern. «Damit es in einem Kanton läuft, müssen viele Leute in die gleiche Richtung gehen. Das glückt in Graubünden seit Jahren. Im Vergleich dazu nehme ich beispielsweise die Walliser viel mehr als Einzelkämpfer wahr», sagt Ernst «Aschi» Wyrsch (61), Präsident von Hotelleriesuisse Graubünden.
Lenzerheide GR rollte mit dem Bikepark voraus. «Wir konnten den Sommerumsatz innerhalb von zehn Jahren verdreifachen», wie Bruno Fläcklin (50) sagt. Für die Bergbahnen sei das am Ende zwar ein Nullsummenspiel, weil sich auch der Aufwand mit dem Unterhalt der Mountainbike-Wege verdreifacht habe. Doch die Region habe «massiv an Attraktivität hinzugewonnen», wie der Leiter Destinationsentwicklung der Ferienregion Lenzerheide betont. «Wir haben im Sommer viel mehr Gäste vor Ort. Davon profitieren alle: Hotels, Sportgeschäfte, Restaurants, und auch die Nachfrage nach Ferienwohnungen ist gestiegen.»
«Immer weniger vom weissen Gold abhängig»
Auch in den anderen Destinationen läuft das Geschäft in den schneefreien Jahreszeiten dank Mountainbiken und Wandern rund. «Wir verdienen inzwischen in neun bis zehn Monaten Geld», so Hotelierspräsident Wyrsch. Zwei Monate sind fürs Bauen und einer für Ferien reserviert. «Wir kommen unserem Ziel, weniger vom weissen Gold abhängig zu sein, mit grossen Schritten näher», sagt er. Die Hotels machen inzwischen 40 Prozent ihres Umsatzes im Sommer. Noch vor zwanzig Jahren sorgte der Sommer gerade mal für ein Fünftel der Einnahmen.
Der heutige Erfolg hatte seinen Preis. Die Bündner hätten in den letzten 15 Jahren über eine Milliarde in die Hotels, Bergbahnen und übrige Tourismusinfrastruktur investiert. «Mehr als jeder andere Kanton», ist Wyrsch überzeugt. In der Hotellerie sei ein breiter Angebotsmix von der Jugendherberge bis zum 5-Sterne-Betrieb mit internationaler Ausstrahlung entstanden. «Daraus resultiert ein idealer Mix aus zwei Drittel Schweizer Gästen und einem Drittel aus dem Ausland.»
«Die Konzepte sind kopierbar ...»
Andere Tourismusregionen holen auf. Auch im Wallis rollen immer mehr Mountainbiker über die Wege. «Aktuell sind wir punkto Mountainbikes führend und mit unserem Ruf anderen Tourismuskantonen voraus. Doch die Konzepte sind kopierbar, und die grössten Fehler macht man immer dann, wenn es gut läuft», mahnt Wyrsch.
Trotz starker Zahlen gibt es in diesem Winter aber auch in Graubünden Verlierer: Der Churer Hausberg Brambrüesch und die Bergbahnen Hochwang mussten ihren Skibetrieb wegen Schneemangels einstellen.