Budget-Serie «Die Abrechnung»: Die Patchworkfamilie
«Wir verdienen 5970 Franken und spenden 500 davon an religiöse Zwecke»

Für die Beobachter-Serie legen Leute ihr Einkommen offen. Im sechsköpfigen Haushalt von Christine Vogel gibts strenge Budgetvorgaben – trotzdem bleibt praktisch kein Geld übrig.
Publiziert: 01.02.2025 um 09:41 Uhr
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Aktualisiert: 01.02.2025 um 11:11 Uhr
Die religiöse Patchwork-Familie öffnet gegenüber dem Beobachter ihr Portemonnaie.
Foto: IMAGO/Zoonar

Auf einen Blick

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Katrin Reichmuth
Beobachter

In der Beobachter-Serie «Die Abrechnung» zeigen Menschen ihren Kontoauszug – und erzählen, wie sie mit ihrem Budget leben. Wie viel Geld steht ihnen zur Verfügung? Wofür geben sie es aus?

Zum Beispiel die Patchwork-Familie von Christine Vogel, die in Wirklichkeit anders heisst. 

Unsere Familie

Wir sind eine neunköpfige Patchwork-Familie. Mein Mann hat vier und ich drei Kinder in die Ehe gebracht. Die ältesten drei wohnen nicht mehr zu Hause. Im Alltag leben wir zu sechst: zwei Mädchen, 16 und 13, zwei Jungs, 12 und 10, mein Mann, 52, und ich, 50.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Gelernt habe ich Verkäuferin. Mit 22 wurde ich das erste Mal schwanger. Acht Jahre lang schlug ich mich als Alleinerziehende durch. Mit 30 lernte ich einen anderen Mann kennen, den Vater meiner zwei jüngeren Kinder. In dieser Zeit kümmerte ich mich um den Haushalt und arbeitete daneben in einem 40-Prozent-Pensum als Hauswartin in unserer Überbauung.

Damals gab es kaum Tagesschulen. Deshalb hatte ich einige Tageskinder, teilweise bis zu sechs. Kurz vor 40 liess ich mich scheiden. Wir waren nie auf Rosen gebettet, nach der Scheidung reichte das Geld aber gar nirgends mehr hin, und ich war auf Sozialhilfe angewiesen. Heute kümmere ich mich um den Haushalt und die Kinder. 

Mein Mann ist verwitwet und gelernter Metzger. Mit 30 hat er sich im sozialen Bereich weitergebildet. Heute arbeitet er Vollzeit als Arbeitsagoge bei einer sozialen Institution. Er ist Heimleiter und verantwortlich für die Tagesstrukturen aller Wohnheime im Kanton. Dort werden Menschen mit erschwertem Zugang zur Arbeitswelt bei der beruflichen Integration begleitet. 

So planen wir unser Budget

Ich bin verantwortlich für die Finanzen und führe ein Budget. Mein Mann und ich haben je ein eigenes Konto. Darauf kommen der Lohn und die Alimente. 100 Franken behalten wir jeweils für uns. Der Rest wird auf die verschiedenen gemeinsamen Konten überwiesen. Wir haben eines für jeden Ausgabenposten, also für Wohnen, Versicherungen, Haushalt, Kleidung und Schuhe, Auto, Steuern, Taschengelder, Stromkosten, Gesundheit, öffentlicher Verkehr, Katzen und Sparen. 

Ende Monat prüfe ich, ob alles aufgeht, und mache Kontoüberträge. Ich schaue zum Beispiel, wie viel ich für Katzenfutter ausgegeben habe, und schiebe das dann vom Katzen- aufs Haushaltskonto rüber, über das wir die Einkäufe abwickeln. Wenn es auf einem Konto zu wenig Geld hat, schaue ich, wo noch etwas übrig ist. Weil ich mein Freizügigkeitskonto, also meine Pensionskassengelder, bei derselben Bank habe, fallen keine Kontogebühren an. 

Einnahmen

Wir haben ein Nettoeinkommen von 10’260 Franken pro Monat. Der Lohn meines Mannes beträgt 5970 Franken inklusive 13. Monatslohn. Dazu kommen 1250 Franken Kinderzulagen für vier Kinder. Ich erhalte für meine beiden jüngeren Kinder 1470 Franken Alimente. Mein Mann bekommt als Witwer zudem für seine beiden jüngeren Kinder eine Halbwaisenrente von 1130 Franken von der Ausgleichskasse sowie 440 Franken Todesfallleistungen vom Arbeitgeber.

Ausgaben

Wohnen: Seit sechs Jahren mieten wir eine Maisonettewohnung mit 6,5 Zimmern und Balkon. Es ist ein Altbau mit zwei Badezimmern. Vor unserem Einzug wurde sie renoviert, abgesehen von der Küche. Der Mietzins beträgt 1740 Franken pro Monat. Dazu kommen pauschal 600 Franken für die Nebenkosten. Circa 75 Franken kostet monatlich der Strom vom regionalen Elektrizitätswerk. Fürs Wohnen geben wir damit jeden Monat 2415 Franken aus. 

Telefon, Internet und Abos: Mein Handyabo kostet monatlich 29 Franken. Die Telefonkosten meines Mannes übernimmt zum grössten Teil sein Geschäft. Sein Anteil ist 10 Franken. Für Internet sowie TV und Netflix geben wir monatlich 52 Franken aus. Das war ein Sonderangebot. Dazu kommen die jährlichen Serafe-Gebühren von 335 Franken. 

Die Handyabos der Kinder zahlt mein Vater. Das ist ein Geschenk an seine Enkelkinder und entlastet unser Budget. Wenn sie jedoch eine zahlungspflichtige App oder ein Spiel herunterladen, müssen sie das mit ihrem Taschengeld bezahlen. 

Als Zeitschrift haben wir seit vielen Jahren den Beobachter abonniert. Mittlerweile kostet ein Jahresabo 189 Franken. Leider sind wir mit Lesen etwas im Rückstand, aber die Rechtsberatung hat uns schon einige Male geholfen.

Gesundheit: Die Krankenkassenprämien für meinen Mann und mich betragen 1530 Franken. Wir haben beide eine Zusatzversicherung und die tiefste Franchise. So bezahlen wir zwar höhere Prämien, wissen aber genau, was finanziell maximal auf uns zukommt. Die Krankenkassenprämien aller Kinder zusammen betragen 450 Franken. Die jüngsten beiden zahlen um die 70 Franken und die älteren beiden mindestens das Doppelte. Vier von sechs Familienmitgliedern tragen eine Brille. Wir gehen alle einmal jährlich in die Dentalhygiene. Glücklicherweise haben alle eine gute Zahnstellung, und Zahnspangen sind kein Thema. 

Letztes Jahr erhielten wir monatlich 700 Franken Prämienverbilligung für die ganze Familie. Auch dieses Jahr rechnen wir damit. Bis jetzt haben wir aber noch kein Formular erhalten, um sie zu beantragen. Wir budgetieren für Krankenkassenprämien, Franchise und übrige Gesundheitskosten 1750 Franken im Monat. Bisher hat das übers Jahr gerechnet immer gereicht. 

Versicherungen: Wir zahlen 690 Franken für die Hausrat- und Haftpflicht- inklusive einer Cyberversicherung. Die Rechtsschutzversicherung macht nochmals 350 Franken pro Jahr. Das ist es uns wert. Denn wir hatten letztes Jahr Probleme mit unserem Telekomanbieter. Die Autoversicherung ist mit einer jährlichen Prämie von 1030 Franken ziemlich teuer. 

Mobilität: Vor zwei Jahren brauchten wir ein neues Familienauto. Gefunden haben wir einen gebrauchten VW Sharan für 8500 Franken. Monatlich legen wir 350 Franken auf unser Autokonto. Damit bezahlen wir Benzin, Pneuwechsel sowie Reparaturen. Dazu kommen 119 Franken im Jahr für die Mitgliedschaft beim TCS. So sind wir bei Unfällen und Pannen im Ausland gut abgesichert. 

Mein Mann kann eigentlich zu Fuss zur Arbeit gehen. Es sind rund drei Kilometer. Ab und zu benutzt er aber das Auto oder den Bus. Ich kann gar nicht Auto fahren. Irgendwie habe ich den Zeitpunkt verpasst, den Führerschein zu machen, und heute bin ich lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Velo unterwegs. Mein Mann und ich haben ein Halbtax-Abo und kaufen Mehrfahrtenkarten für die gängigen Strecken. Das kommt uns ziemlich günstig, pro Karte 14 Franken für sechs Fahrten. Die beiden älteren Kinder haben ein Verbund-Abo. Wir legen dafür monatlich 150 Franken auf das ÖV-Konto. 

Haushalt inklusive auswärts essen: Dafür geben wir monatlich 1750 Franken aus – und nicht mehr. Wir machen jede Woche einen Einkauf für 250 bis 300 Franken. Manchmal fahren wir auch nach Deutschland. Anfang Monat kaufe ich haltbare Lebensmittel wie Teigwaren, Reis oder Zucker in grossen Mengen und wenn möglich zu Aktionspreisen. Unter der Woche kaufe ich dann noch alles, was frisch sein muss, wie zum Beispiel Salat. Gemüse und Milchprodukte kaufe ich auch von Billiglinien. Grosse Fleischstücke holen wir uns bei Prodega, einem Grosshandel für die Gastronomie. Mein Mann schneidet es dann in kleine Teile, packt es ab und friert es ein. Das lohnt sich. Produkte wie Blévita oder Farmer kaufen wir nur, wenn sie in Aktion sind. Auch bei Putz- oder Waschmitteln sowie Hygieneartikeln warte ich auf Spezialangebote. Nicht im Haushaltsbudget enthalten sind die Kosten für Katzenfutter und Zigaretten. Dafür geben wir monatlich nochmals 550 Franken aus. 

Ich koche jeden Mittag für drei Kinder und meinen Mann. Die ältere Tochter nimmt sich etwas von zu Hause mit zur Arbeit. Am Abend gibt es dann bei uns ganz simpel «Café complet». 

Ungefähr alle zwei Monate gehen wir auswärts essen. Entweder fahren wir nach Deutschland, oder wir gehen in eine Pizzeria. Die Rechnung beläuft sich dann auf circa 180 Franken. Ein Ausflug an die Basler Fasnacht und ein Besuch am Weihnachtsmarkt dürfen nicht fehlen. Meistens nehmen wir eine kleine Verpflegung mit. Wir gönnen uns aber Glühmost und gebrannte Mandeln. In diesen Monaten müssen wir dann halt Abstriche beim Essen machen. Dann gibt es vielleicht einfach Teigwaren und Wienerli. 

Kleidung und Schuhe inklusive Coiffeur: Dieser Budgetposten ist auf 200 Franken monatlich beschränkt. Das halten wir strikt ein. Wenn zum Beispiel meine 13-jährige Tochter eine Nike-Trainerhose für 60 Franken kaufen möchte, weil sie gerade in der Phase «Ich will nur Markenkleider tragen» ist, müssen sich die anderen fünf Personen die restlichen 140 Franken teilen. Bei so vielen Kindern werden aber sowieso die meisten Kleidungsstücke nachgetragen. Neue Kleider gibt es nur im Ausverkauf … und das sehr selten. Mein Mann und ich bekommen manchmal zu Weihnachten Kleidergutscheine. Dann kaufen wir uns etwas davon. 

Auch die Kosten fürs Haareschneiden werden aus diesen 200 Franken bezahlt. Die Jungs und ich haben kurze Haare, die schneide ich. Die Mädchen gehen zweimal jährlich für knapp 50 Franken zum Coiffeur. 

Freizeit: Ein Sohn spielt Schlagzeug. Die Kosten für die Musikstunden werden von meinem Ex-Mann übernommen. Die anderen Kinder haben nur Hobbys, die uns nichts kosten. Wir haben es probiert, von Querflöte über Klarinette bis Gymnastikunterricht. Aber sie wollen nicht. Die drei jüngsten Kinder gehen jeden Herbst eine Woche ins Comicamp. Dort lernen sie, Fotos zu bearbeiten, Videos zu drehen oder neue Programme zu entwickeln. Das macht insgesamt 1000 Franken. Ausflüge mit der Familie kosten bei uns in der Regel nichts. Wir spazieren nach Deutschland oder grillieren im Wald.

Ferien: Der 13. Monatslohn meines Mannes wird in zwei Tranchen ausbezahlt. Einmal Ende Juni 2985 Franken und nochmals so viel Ende Dezember. Die erste Auszahlung brauchen wir für unsere Sommerferien: zwei Wochen auf einem Campingplatz in Deutschland, Frankreich, Österreich oder Italien. 

Mein Vater lädt unsere ganze Familie alle zwei Jahre für drei Wochen nach Spanien ein. Freunde von ihm haben dort eine Wohnung, die er mietet. Wir müssen dann nur noch für Reise, Essen und Ausflüge bezahlen. 

Altersvorsorge: Mein Mann hat eine gemischte Lebensversicherung und zahlt jeden Monat 333 Franken ein. Ich habe ebenfalls eine Lebensversicherung. Der monatliche Betrag ist 250 Franken. Wir haben die Versicherung abgeschlossen, um unsere Familie im Todesfall abzusichern. 

Steuern: Wir legen jeden Monat 850 Franken auf die Seite. Insgesamt zahlen wir um die 10'000 Franken Steuern im Jahr. 

Spenden: Wir sind mit Jesus unterwegs und spenden monatlich 500 Franken an die Heilsarmee. Ich habe ein Herz für Tiere und spende rund 200 Franken pro Jahr an die Organisation Vier Pfoten. 

Geschenke: Unsere sieben Kinder erhalten zum Geburtstag und zu Weihnachten ein Geschenk im Wert von ungefähr 50 Franken. Die drei älteren Kinder wohnen ja nicht mehr zu Hause. Sie laden wir dann an ihrem Geburtstag auswärts zum Essen ein. Mindestens zweimal monatlich ist jemand von uns zu einem Geburtstag eingeladen. Entweder gebe ich den Kindern 20 Franken und sie kaufen selber ein passendes Geschenk, oder wir gehen zusammen einkaufen. Wir budgetieren für Geschenke monatlich 125 Franken. Das geht gut auf. 

Taschengeld: Wir finden das sinnvoll, weil die Kinder den Umgang mit Geld lernen und selber entscheiden können, ob sie sich was gönnen oder lieber sparen möchten. Unsere älteste Tochter ist in der Lehre und erhält kein Taschengeld. Die beiden mittleren Kinder bekommen 24 respektive 28 Franken und der Jüngste bekommt 16 Franken im Monat. Mein Mann und ich haben monatlich 100 Franken Sackgeld zur Verfügung. Damit bezahlen wir unsere gegenseitigen Geschenke oder auch mal ein Mittagessen auswärts. Das muss jeder selber einteilen. Insgesamt macht das 268 Franken. 

Sparen und Vermögen: Wir haben nicht viel auf der Seite. Unser monatlicher Überschuss beträgt circa 100 Franken. Meistens kommt aber etwas dazwischen, und wir haben unvorhergesehene Ausgaben, letzthin etwa für einen neuen Laptop. So bleibt letztlich kaum etwas übrig. 

Mein grösster Luxus

Vor vier Jahren haben wir uns in der Adventszeit eine Schiffsreise nach Strassburg gegönnt. Die dauerte drei Tage und hat 800 Franken gekostet.

So fühle ich mich

Wir sind nicht gerade auf Rosen gebettet, aber wir können alle Rechnungen bezahlen. Und dank den Alimenten von meinem Ex-Mann, der Halbwaisenrente und den Todesfallleistungen vom Arbeitgeber meines Ehemannes bin ich nicht gezwungen, arbeiten zu gehen. Das wiederum kommt der Familie zugute. Ich bin froh und dankbar, dass wir alle Rechnungen bezahlen können. Wir werden alle satt und haben genügend Kleider und Schuhe. Wir haben weder Mahnungen noch Betreibungen, nicht mal bei den Steuern. 

Aufgezeichnet von Katrin Reichmuth 

Hier finden Sie die bisherigen Folgen der Rubrik «Die Abrechnung». 

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