Auf einen Blick
In der «Beobachter»-Serie «Die Abrechnung» zeigen unterschiedliche Menschen ihren Kontoauszug – und erzählen, wie sie mit ihrem Budget leben. Wie viel Geld steht ihnen zur Verfügung? Wofür geben sie es aus?
Zum Beispiel Sozialpädagogin Claudia Müller, die in Wirklichkeit anders heisst.
Meine Person
Ich bin 57 und gelernte Dekorationsgestalterin. Kurz nach der Lehre habe ich mich zur Sozialpädagogin weitergebildet. Über die Jahre habe ich in diversen sozialen Einrichtungen gearbeitet. Von Sucht- bis Strassensexarbeit war alles dabei. Seit bald zehn Jahren bin ich nun an einer Privatschule in einem 60-Prozent-Pensum tätig. Die Arbeit mit Jugendlichen ist nicht ganz ohne und verlangt mir viel ab. Deshalb arbeite ich Teilzeit. Ich bin in der Stadt Zürich aufgewachsen. 20 Jahre lang wohnte ich im Herzen des Zürcher Nachtlebens. Heute lebe ich zusammen mit meinem Partner ein bisschen ausserhalb des grossen Trubels.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Einnahmen
Mein Nettolohn beträgt gut 4200 Franken, ausbezahlt wird er mir 13-mal im Jahr. Dazu kommen jeden Monat 250 Franken aus meinem Nebenerwerb; ich arbeite noch ein- bis zweimal pro Monat am Gemüsemarkt als Verkäuferin und verdiene dort 25 Franken netto pro Stunde. Das macht mir Spass, und ich komme so jeweils ein bisschen raus aus meiner sozialen Blase.
Ausgaben
Wohnen: Mein Partner und ich leben in einer 2,5-Zimmer-Wohnung mit grosser Wohnküche und eigener Dachterrasse. Die Küche wurde vor unserem Einzug frisch renoviert. Wir wohnen zentral und sind gut an die öffentlichen Verkehrsmittel angebunden. Für die Wohnung zahlen wir monatlich 1055 Franken, inklusive Nebenkosten. Mein Partner übernimmt hauptsächlich die Hausarbeit. Deshalb übernehme ich zwei Drittel der Miete und er den Rest. Dazu kommen die jährlichen Stromkosten von zirka 320 Franken und die Serafe-Gebühren von 355 Franken. Diese Kosten teilen wir uns hälftig.
Telefon und Internet: Für mein Handy-Abo sowie für Internet und digitales Fernsehen gebe ich monatlich 85 Franken aus.
Gesundheit: Ich bin allgemein versichert, mit der tiefsten Franchise und habe keine Zusatzversicherungen. Ich habe Anspruch auf eine Prämienverbilligung und zahle deshalb rund 80 Franken weniger als die obligaten Prämien, insgesamt 365 Franken pro Monat. Dieses Jahr hatte ich Pech und musste einige Male zum Zahnarzt. Alles in allem hat mich das 3000 Franken gekostet. Zudem rauche ich und habe dadurch Ablagerungen auf den Zähnen. Die lasse ich mir zweimal pro Jahr entfernen. Für die Dentalhygiene gebe ich rund 330 Franken aus. Ausserdem sehe auf einem Auge nicht so gut. Für Kontaktlinsen und Reinigungsmittel gebe ich jährlich 600 Franken aus.
Versicherungen: Ich verdiene mehr – und leiste weniger zu Hause als mein Partner. Deshalb übernehme ich wiederkehrende gemeinsame Kosten wie für die Hausrat- und Haftpflichtversicherung inklusive Diebstahl auswärts. Diese Versicherungsprämie kostet jedes Jahr 420 Franken.
Mobilität: Ich habe ein ÖV-Abo für den Zürcher Tarifverbund. Das brauche ich für den Weg zur Arbeit. Für meine täglichen Erledigungen benutze ich meist das Velo, gehe zu Fuss oder nutze den Bus oder das Tram. Insgesamt gebe ich 1200 Franken im Jahr für den öffentlichen Verkehr aus.
Haushalt: Sobald der Lohn kommt, hebe ich 500 Franken Bargeld ab – und lege es in unser Haushalts-Portemonnaie. Mein Partner steckt das Doppelte hinein. Er kauft damit für uns beide ein. Gemüse und Früchte kaufen wir auf dem Wochenmarkt. Dort können wir die Menge wählen, die wir wirklich brauchen, und die Produkte sind viel länger haltbar. Zudem pflege ich einen Gemüsegarten auf unserer Dachterrasse. Dieses Jahr kamen die Kartoffeln und Zucchini besonders gut. Meistens gebe ich nochmals 500 Franken für diverse kleinere Einkäufe aus, zum Beispiel für ein gutes Stück Fleisch von der Metzg oder den Käse für ein Raclette. Ich rauche E-Zigaretten und gebe für die Liquids pro Monat 25 Franken aus.
Ich schminke mich nicht und benutze seit meiner Kindheit die gleichen Pflegeprodukte. Meine langen Haare schneide ich höchstens einmal pro Jahr. Den Coiffeurbesuch empfinde ich als lästig und gehe erst, wenn es wirklich nötig ist. Für Shampoo, Bodylotion und Gesichtscrème sowie den Coiffeurbesuch gebe ich insgesamt 300 Franken im Jahr aus.
Weitere Geschichten der Serie «Die Abrechnung»
Verpflegung ausser Haus: Unter der Woche kocht mein Partner, und mittags esse ich jeweils in der Schule. Wenn ich Betreuungsdienst habe, ist das Mittagessen gratis. Ansonsten muss ich 10 Franken zahlen. Einmal im Monat gehen mein Partner und ich gemeinsam auswärts essen. Dann lassen wir es uns gut gehen und trinken dazu auch eine Flasche Wein. Ab und zu treffe ich mich mit Freunden auf ein Feierabendgetränk. Ich kann nicht genau sagen, wie viel ich insgesamt für die Verpflegung ausser Haus ausgebe. Ich schätze, es sind 200 Franken im Monat.
Kleidung und Schuhe: Ich habe genug Kleider und Schuhe und muss nicht ständig neue kaufen. Einerseits sagt mir Mode nicht viel, anderseits lehne ich diesen überflüssigen Konsum ab. Ich trage Jeans, Pullis oder Schuhe so lange, bis sie kaputt sind. Diesen Sommer sind meine Sandalen gerissen. Im Brockenhaus habe ich dann für 15 Franken ein Paar Espadrilles gekauft. Grob geschätzt gebe ich nicht mehr als 300 Franken pro Jahr für Shopping aus.
Freizeit: Im Sommer verbringe ich meine freie Zeit auf der Dachterrasse beim Gärtnern oder Lesen. An heissen Tagen trifft man mich bei einem Schwumm in der Limmat oder am See. Das ist alles gratis. Hin und wieder kaufe ich mir eine Glace oder ein Getränk. Das sind kleine Beträge, vielleicht so 5 Franken. Im Winter bin ich eher eine Stubenhockerin. Ich treibe keinen Wintersport. Das hat mir zu viele Leute dort – und die Ausrüstung ist mir viel zu teuer.
Ferien: Mein Partner und ich haben früher die Welt bereist. Daraus sind Freundschaften entstanden, die bis heute halten. Die letzten Ferien verbrachten wir zum Beispiel bei Kollegen in Marokko. Wir konnten gratis in ihrem Haus wohnen. Die Flüge kosteten 1700 Franken. Das übernahm ich. Mein Partner bezahlte im Gegenzug das Essen vor Ort. Eine solche Reise machen wir meistens einmal pro Jahr. Hinzu kommen vier bis sechs Tagesausflüge oder Velotouren. Insgesamt gehen rund 3500 Franken im Jahr für Freizeit und Ferien weg.
Altersvorsorge: Ich habe noch nie Geld in meine Altersvorsorge gesteckt. Heute verdiene ich gerade so viel, wie ich zum Leben brauche. Früher konnte ich mehr auf die Seite legen. Damals gab ich mein Erspartes aber lieber für längere Reisen oder Restaurantbesuche aus. Trotzdem bin ich entspannt, wenn ich an meine Zukunft denke. Denn: Entweder reicht im Alter meine Rente, oder ich beantrage Ergänzungsleistungen.
Steuern: Ich zahle meine Steuern im Voraus und überweise der Steuerbehörde monatlich jeweils 350 Franken. Die Rechnung geht nicht ganz auf. Letztes Jahr musste ich nochmals 300 Franken nachzahlen.
Geschenke: Mein Neffe und meine Nichte erhalten jeweils zum Geburtstag und zu Weihnachten ein Geschenk von mir. Meistens im Wert von 100 Franken. Ich schenke auch gerne mal was einer Freundin zum Geburtstag oder als Mitbringsel für eine Einladung. Für Geschenke gebe ich jährlich ungefähr 600 Franken aus.
Was ist der grösste Luxus, den Sie sich je geleistet haben?
Einen Monat Tauchferien auf den Andamanen. Das war vor 20 Jahren – und kostete 5000 Franken. An jene Ferien erinnere ich mich gern zurück.
So fühle ich mich
Es kommt meiner Meinung nach immer darauf an, mit wem man sich vergleicht. Ich arbeite schon so lange im sozialen Bereich und sehe Menschen, die nicht genug Geld fürs Essen haben. Mir geht es insofern gut. Das Geld reicht für alles, was ich brauche. Auf der anderen Seite habe ich auch keine teuren Wünsche, ausser vielleicht ab und zu in ein Restaurant zu gehen. Mehr Geld würde mir nicht viel bringen. Ein teures Auto zu haben, würde mir keine Freude bereiten. Ich bin glücklich, wenn ich am Morgen aufstehe, gesund bin und einen frischen Orangensaft trinken kann. Das ist Luxus für mich. Zudem leiste ich es mir, Teilzeit zu arbeiten. Mir sind Zeit und Erholung wichtiger als Geld und Konsum.
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