Auf einen Blick
Michael Russ heisst in Wirklichkeit anders.
Meine Person:
Ich bin 44, in Deutschland aufgewachsen und habe Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Danach bin ich für einen Job in die Schweiz gezogen. Inzwischen ist sie meine zweite Heimat. Vor drei Jahren habe ich mich einbürgern lassen. Ich arbeite als angestellter Unternehmensberater für Firmen im Energiesektor in einem 90-Prozent-Pensum.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Leider geht es mir gesundheitlich gerade nicht gut. Ich leide an CFS, dem Chronischen Fatigue-Syndrom. Im Moment bin ich zu 100 Prozent krankgeschrieben.
Meine Einnahmen:
Mein Nettolohn für mein 90-Prozent-Pensum beträgt knapp 9000 Franken, 13-mal im Jahr. Dazu kommen zirka 4300 Franken Erträge aus Aktien und Anlagen. Das ergibt Einkünfte von knapp 14’000 Franken. Ja, mir geht es finanziell sehr gut. Wegen der Krankschreibung erhalte ich zurzeit aber keinen Lohn, sondern Krankentaggeld. Wie üblich sind das 80 Prozent des Lohns, bei mir also rund 7200 Franken.
Meine Ausgaben:
Wohnen: Seit zwölf Jahren wohne ich zusammen mit einem WG-Partner in einer 4,5-Zimmer-Wohnung in einem Vorort von Zürich. Mein Anteil an der Miete inklusive Parkplatz und aller Nebenkosten beträgt gut 1500 Franken, zusammen zahlen wir knapp 3000 Franken. Das ist günstig, finde ich. Die Wohnung ist wunderschön, mit grosser Dachterrasse und Blick auf einen Fluss. Dazu ist sie neu, wir sind die Erstbezüger.
Es scheint wie ein Naturgesetz: Im Herbst fallen die Blätter und die Krankenkassenprämien steigen. Mit dem Prämienticker unternimmt der «Beobachter» etwas dagegen: Er recherchiert und publiziert Missstände im Gesundheitswesen, benennt die Verantwortlichen und fordert Lösungen von den Entscheidern.
Es scheint wie ein Naturgesetz: Im Herbst fallen die Blätter und die Krankenkassenprämien steigen. Mit dem Prämienticker unternimmt der «Beobachter» etwas dagegen: Er recherchiert und publiziert Missstände im Gesundheitswesen, benennt die Verantwortlichen und fordert Lösungen von den Entscheidern.
Abos und Streaming: 95 Franken für Handy, Internet und Netflix.
Versicherungen: Das übliche: Hausrat, Haftpflicht, Rechtsschutz, Auto. Zusammen gut 200 Franken im Monat, wobei die Autoversicherung der grösste Brocken ist.
Gesundheit: Ich bin allgemeinversichert, tiefste Franchise, keine Zusatzversicherungen. Das macht 360 Franken Krankenkassenprämie pro Monat. Für Selbstbehalte und Franchisen kamen letztes Jahr gut 2700 Franken hinzu. Mein Leben lang war ich gesund, ich mache Sport, ernähre mich ausgewogen, bin gerne in der Natur. Seit vergangenem Sommer jedoch ist alles anders. Woher das Chronische Fatigue-Syndrom kommt, weiss ich nicht. Vielleicht ist es die Folge einer Covid-Erkrankung. Ich bin dauernd erschöpft, selbst Alltägliches wie Duschen ist oftmals zu viel.
Haushalt: Gutes Essen ist mir etwas wert, ich koche sehr gerne und kaufe fast nur Bio-Produkte. Da ich seit drei Jahren vegan lebe, kommt mich das trotzdem nicht sehr teuer. Früher habe ich manchmal 300 Franken für meinen Wocheneinkauf ausgegeben, heute liege ich bei weniger als der Hälfte. Ich habe das Gefühl, obwohl es mir finanziell sehr gut geht, ist mein Lebensstil nicht exorbitant. Inklusive Auswärtsessen und Ausgaben für Kleider und Schuhe gebe ich im Monat etwa 1000 Franken für den Haushalt aus.
Mein Fernseher zum Beispiel ist 15 Jahre alt, und Socken trage ich, bis sie durch sind. Ich habe Masshemden, ja, aber die halten Jahre. Etwas lange zu nutzen, finde ich wichtig. Meine Eltern in Deutschland gehören zur Nachkriegsgeneration, meine Oma ist mit meiner Mutter aus Ostpreussen nach Westdeutschland ausgewandert, ohne irgendetwas. Da bleibt hängen, dass man den Dingen Sorge trägt und aufs Geld schaut, obwohl man es vielleicht nicht müsste.
Ferien: Aus klimapolitischen Gründen fliege ich nicht mehr. Meistens geht es darum nach Italien oder Frankreich – oder nach Deutschland zu Verwandten und Freunden. Teure Hotels sagen mir wenig. Ich kenne sie von Geschäftsreisen, privat mag ich es lieber bodenständig. Am liebsten gehe ich wandern und übernachte in guten Mittelklassehotels. Meine Ausgaben für Ferien und Wochenendausflüge belaufen sich auf etwa 3600 Franken im Jahr, die Reisekosten mit dem Auto nicht eingerechnet. Das restliche Geld im Posten Freizeit, rund 2400 Franken im Jahr oder 200 pro Monat, geht für seltene Restaurantbesuche oder auch mal Kino drauf.
Mobilität: Mein Auto ist der grösste Luxus, den ich mir leiste. Vor gut zwei Jahren habe ich mir einen Tesla Model 3 gekauft, der 55’000 Franken gekostet hat. Wenn man den Wertverlust berücksichtigt, kommen für Unterhalt, Reparaturen und Strom fürs Auto gut 1000 Franken im Monat zusammen. Das ist schon sehr viel. Ein GA wäre viel günstiger. Ich liebe aber die Freiheit, die das Auto mir gibt. Ich fahre aber schon auch Bus und Zug und habe – wie gefühlt jeder Schweizer – ein Halbtax.
Steuern: Letztes Jahr habe ich 18’000 Franken Steuern bezahlt. Dieses Jahr, mit dem geringeren Einkommen wegen der Krankheit, wird es weniger sein.
Private Altersvorsorge: Ich zahle jedes Jahr den Maximalbetrag in die dritte Säule ein, zurzeit gut 7000 Franken.
Sparen: Ich kann sehr viel auf die Seite legen. Rechne ich die Einkünfte aus meinen Aktien und Anlagen zu meinem Einkommen hinzu und ziehe dann die Ausgaben ab, bleiben pro Monat fast 6700 Franken übrig. Dieses Geld lege ich wieder in Aktien und Immobilien an. Inklusive Pensionskasse und dritter Säule habe ich knapp eine Million Franken auf der Seite. Ich spare auf die finanzielle Freiheit hin. Mir gefällt mein Job, ich habe einen super Chef und tolle Kolleginnen und Kollegen. Aber wenn es nicht mehr stimmt, will ich jederzeit sagen können: «Leute, das wars, ich mach jetzt etwas anderes.» Ich möchte in Zukunft gerne nebenher als Wanderleiter arbeiten und will mein Pensum auf 60 Prozent reduzieren. Zuerst muss ich aber gesund werden.
Meine grösste Fehlinvestition: Mit Mitte dreissig habe ich mich in der Selbständigkeit versucht. Finanziell war das ein «Griff ins Klo». Rechnet man den Verdienstausfall mit ein, hat es mich rund 150’000 Franken gekostet. Ich habe schlecht geschlafen, viel gegrübelt. Aber ich habe auch viel gelernt. Über mich, über Freiheit. Darum bereue ich es nicht, diesen Schritt gewagt zu haben. Ich bin erfolgreich gescheitert, sage ich.
So fühle ich mich: Ich bin extrem privilegiert. Materiell habe ich alles, was ich mir wünsche. Gesundheit kann man sich nicht kaufen. Geld macht nicht glücklich, davon bin ich überzeugt. Kein Geld aber macht unglücklich, das ist mir bewusst. Manchmal frage ich mich schon: Warum verdiene ich, der ein paar Power-Point-Präsentationen macht, so viel, und andere, die viel wichtigere Dinge tun, haben kaum genug zum Leben? Die Ungleichheit in der Gesellschaft beunruhigt mich. Sie gefährdet die Demokratie. Wohin das führen kann, sieht man in Deutschland mit dem Aufkommen der AfD. Hier in der Schweiz ist die Situation besser, aber auch wir müssen Sorge tragen, dass die Gesellschaft zusammenhält und alle mitgenommen werden.
Aufgezeichnet von Raphael Brunner