Blick ins Budget eines Rentners
«Ich habe 10'450 Franken im Monat»

Für unsere Serie legen Leute ihr Einkommen offen. Gerhard Wagner lebt gut nach seiner Pensionierung – seine Söhne sagen, er sei sparsam, aber nicht geizig.
Publiziert: 05.10.2024 um 10:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2024 um 12:38 Uhr
Rentner Gerhard Wagner – er heisst in Wirklichkeit anders – hat nach der Pensionierung ein Studium angefangen. (Symbolbild)
Foto: Shutterstock 1401918860

Auf einen Blick

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Katrin Reichmuth
Beobachter

In der Serie «Die Abrechnung» zeigen unterschiedliche Menschen ihren Kontoauszug – und erzählen, wie sie mit ihrem Budget leben. Wie viel Geld steht ihnen zur Verfügung? Wofür geben sie es aus?

Zum Beispiel Rentner Gerhard Wagner*.

Meine Person

Ich bin 65, geschieden, habe drei Söhne und zwei Enkel. Seit knapp einem Jahr bin ich pensioniert. Zuvor habe ich als Biologe im Labor gearbeitet und Blutproben auf Erbkrankheiten untersucht. Ich bin in Deutschland aufgewachsen und habe bis zu meinem Doktortitel in Molekularbiologie auch dort gelebt. Vor 35 Jahren bin ich für einen Forschungsaufenthalt in die Schweiz gekommen – und geblieben. Heute wohne ich in der Nähe von Zürich. 

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Für mich heisst es jetzt: Studium statt Ruhestand. Bereits einen Tag nach meiner offiziellen Pensionierung startete ich mit einem Praktikum im Bergwaldprojekt Schweiz. Nur so konnte ich als Quereinsteiger ein Masterstudium in Forstwirtschaft beginnen. Das dauert zwei Jahre, inklusive Masterarbeit. Es war immer mein Traum, ein nachhaltiges Projekt in Afrika aufzubauen. Dieses Studium bietet mir die ideale Grundlage dafür.

Einnahmen

Ich erhalte jeden Monat eine AHV-Rente von 1950 Franken und eine Pensionskassenrente von 6500 Franken. Ich bin nicht gut im Geldausgeben. Meine Söhne sagen, ich sei sparsam – aber nicht geizig. So konnte ich viel Geld in meine Altersvorsorge investieren, insbesondere habe ich mich in die Pensionskasse eingekauft. 

Auch schon während meiner Arbeitstätigkeit habe ich meine Fachexpertise genutzt, beispielsweise als Referent in Berufsbildungszentren. Das werde ich sicherlich noch die nächsten paar Jahre weitermachen. Dafür erhalte ich pro Jahr 12’000 Franken. 

Ich brauche nicht viel Platz, und es ist schön, wenn man nicht immer allein zu Hause ist. Deshalb habe ich zwei Zimmer in meiner Wohnung vermietet. Das macht 1000 Franken Mieteinnahmen pro Monat. Das heisst: Ich habe ein monatliches Nettoeinkommen von 10'450 Franken.

Ausgaben

Wohnen: Vor zehn Jahren habe ich eine 4,5-Zimmer-Wohnung für 620’000 Franken in der Nähe von Zürich gekauft. 240’000 Franken habe ich mit Pensionskassengeldern finanziert, 50’000 Franken aus einem Erbvorbezug, und für den Rest musste ich eine Hypothek aufnehmen. Der monatliche Hypothekarzins beträgt 250 Franken. Für Strom, Wasser, Serafe-Gebühren und andere Nebenkosten fallen nochmals 660 Franken pro Monat an.

Telefon und Internet: Für mein Handyabo gebe ich 30 Franken aus. Ich habe nur einen Laptop und keinen Fernseher. Das Internetabo kostet nochmals 50 Franken pro Monat. 

Gesundheit: 310 Franken zahle ich jeden Monat für die Krankenkassenprämie. Eine Zusatzversicherung brauche ich nicht. Die letzten beiden Jahre hat sich die höchstmögliche Franchise nicht gelohnt, weil ich viel beim Arzt und im Spital war.

Von Achillessehnenriss über Prostata bis zur Blutvergiftung war einiges dabei. In diesem Jahr bin ich bis jetzt von grösseren Unfällen und Krankheiten verschont geblieben. Für Zahnarzt, Franchisen und Selbstbehalte rechne ich dieses Jahr mit 4000 Franken. Insgesamt gebe ich für die Gesundheit monatlich 645 Franken aus. 

Versicherungen: Ich habe eine Hausrat- und eine Privathaftpflicht- sowie eine Rechtsschutzversicherung. Die jährliche Prämie beträgt 700 Franken. 

Mobilität: Ich habe erst mit 46 den Führerschein gemacht. Damit ich ab und zu ein Auto mieten und meine Familie in Deutschland besuchen kann. Ansonsten bin ich mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs.

Das ist in der Schweiz sehr bequem. Seit vielen Jahren habe ich ein Generalabonnement. Für Senioren kostet es 3100 Franken im Jahr. Für Mietautos gebe ich jährlich nochmals zirka 1000 Franken aus. 

Haushalt: Ich mache einmal in der Woche einen Grosseinkauf. Das geht ziemlich schnell, weil ich eine Einkaufsliste habe und genau weiss, wo im Geschäft alles zu finden ist.

Neben den Grundnahrungsmitteln kaufe ich viel Obst und Gemüse ein. Fleisch gibt es nur sehr selten – Alkohol und Zigaretten kaufe ich nie. In meinem Migros-Kundenkonto sehe ich, dass ich monatlich 300 Franken dafür ausgebe. Dazu kommen nochmals 50 Franken für Körperpflege und Coiffeur. 

Verpflegung ausser Haus: Ich schätze, dass ich ungefähr 200 Franken pro Monat für Essen ausser Haus ausgebe. Allein macht es mir keinen Spass, auswärts essen zu gehen. Deshalb lade ich zwei- bis dreimal pro Jahr meine Kinder, Enkelkinder und Schwiegertöchter ein.

Sie gehen gern in das vegetarische Restaurant Hiltl. Dazu kommen noch Abendessen mit Freunden. Ich lade dann meistens ein, weil ich es gern mache und ich sowieso mehr Geld zur Verfügung habe, als ich brauche. 

Kleider und Schuhe: Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal in einem Kleider- oder Schuhladen war. Kleider und Schuhe sind eine Belastung für das Klima, und sowieso sagt mir Mode nicht viel. Ich besitze nur Secondhandkleidung. Gemäss meinen Kindern habe ich einen Vintagelook – und das ungewollt.

Wenn ein Kleidungsstück kaputtgeht, bringe ich es zum Schneider. Brauche ich trotzdem mal wieder ein anderes Paar Schuhe oder sonst was, gehe ich an einen Fundsachenverkauf.

Dort wird alles, was in den öffentlichen Verkehrsmitteln liegengeblieben ist, aufbereitet und wiederverkauft. Über den Daumen gerechnet, gebe ich monatlich 100 Franken für Kleider und Schuhe aus. 

Freizeit: Ich mag klassische Musik genauso wie Jazz. Zwei- bis dreimal pro Jahr lade ich Freunde in die Oper oder sonst zu einem Konzert ein. Das macht pro Besuch schnell einmal 300 Franken. Zu Hause habe ich ein Klavier, das ich dieses Jahr stimmen lassen musste.

Das war nicht ganz günstig, 1500 Franken habe ich dafür gezahlt. Des Weiteren tanze ich gern Tango argentino und Salsa. Einmal pro Monat gehe ich mit Freunden zusammen in ein Tanzlokal. Auch hier lade ich meistens meine Freunde ein, weil ich einfach gern mit ihnen Zeit verbringe und ich Freude am Teilen habe.

Für Eintritte gebe ich meistens 50 Franken aus. Zudem habe ich den Schweizer Museumspass (177 Franken) und besuche Ausstellungen in der ganzen Schweiz. Wenn ich das alles zusammenrechne, macht das grob geschätzt jedes Jahr 2000 Franken.

Mitgliedschaften und Bücher: Ich bin Mitglied der Stadtbibliothek. So kann ich für nur 40 Franken pro Jahr alle Zeitungen und Bücher online lesen. Nichtsdestotrotz kaufe ich mir manchmal auch eigene Bücher, vor allem fürs Studium. Letzthin habe ich ein Standardwerk der nachhaltigen Anwendungen von Holzkohle neu gekauft, weil es das nirgendwo secondhand gab.

Ich schätze, dass ich für Bücher jeden Monat 50 Franken ausgebe. Zudem bin ich Mitglied bei vier NGOs und sechs Wissenschaftsvereinigungen. Wenn ich alles zusammenrechne, kosten mich meine Mitgliedschaften jährlich 1200 Franken. 

Ferien und Ausflüge: Das entscheide ich meistens spontan, je nachdem, ob ich oder meine Freunde Zeit und Lust haben. Früher, als die Kinder noch klein waren, bin ich oft mit ihnen ans Meer gefahren. Heute verbringe ich meine Ferien lieber mit freiwilligen Projekten. Man ist draussen unter Leuten und macht etwas Sinnvolles.

Ich verbringe auch gern Zeit mit Wandern. Ich mache zwei bis drei Wanderausflüge pro Jahr. Dazu kommt eine Kulturreise nach London oder Paris. Wie viel ich dafür ausgebe, ist schwer zu sagen. Ich denke, es sind circa 500 Franken pro Monat. 

Geschenke und Spenden: Mir geht es finanziell gut. Deshalb gebe ich gern etwas davon weiter, und zwar an Menschen in meinem Umfeld, die es brauchen. 8500 Franken pro Jahr verschenke ich an Freunde sowie Verwandte, und 300 Franken spende ich an diverse Organisationen. 

Steuern: Ich habe keine Ahnung, wie viel ich als Rentner an Steuern zahlen werde. Ich rechne mit circa 1500 Franken pro Monat. Meine Steuern haben die letzten Jahre variiert, weil ich vor zehn Jahren viel Geld für meine Eigentumswohnung aus der Pensionskasse genommen und danach diesen Betrag wieder eingezahlt habe.

Ausserdem habe ich jedes Jahr den Maximalbetrag in die Säule 3a eingezahlt und nach der Rückzahlung des Vorbezugs so viel Geld in die Pensionskasse eingezahlt, wie ich konnte. Das konnte ich wiederum von den Steuern abziehen.

Dadurch habe ich die letzten fünf Jahre vor der Pensionierung sehr wenig Steuern gezahlt. Ich überlege mir zudem, ob ich für meine Projekte eine kleine Stiftung gründe, was wiederum einen Einfluss auf die Steuern hätte.

Wie sich meine Finanzen seit der Pensionierung verändert haben

Ich habe 35 Jahre in der Schweiz gearbeitet, und das immer Vollzeit. Mein Jahreseinkommen vor der Pensionierung lag bei 135’000 Franken. Heute habe ich fast gleich viel zur Verfügung.

Ich spüre das fehlende Arbeitseinkommen eigentlich nicht im Portemonnaie und muss mich überhaupt nicht einschränken. Das rührt natürlich auch daher, dass ich weiterhin als Fachexperte tätig bin und Mieteinnahmen habe. 

Der grösste Luxus, den ich mir je geleistet habe

Das war eine Reise nach Mittelamerika mit meinen Söhnen. Das hat 8000 Franken gekostet. 

So fühle ich mich

Ich bin ein Nachkriegskind und habe von meinen Eltern mitgekriegt, was es bedeutet, hungern zu müssen. Einerseits war es mir nie ganz geheuer, dass ich so viel verdiene. Anderseits konnte ich dadurch viel Geld in meine Altersvorsorge investieren.

Das Geld ist ungerecht verteilt. Natürlich bin ich erleichtert, dass ich mir keine Sorgen darüber machen muss. Mein Budget zeigt mir, dass ich nun jeden Monat circa 4700 Franken übrig habe. Dieses Geld möchte ich in etwas Sinnvolles, Nachhaltiges investieren. Vielleicht sogar ein eigenes Projekt aufbauen.

* Name geändert
Aufgezeichnet von Katrin Reichmuth
 

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