Markus Arn (49) steht in seinem Stall in Suberg BE inmitten seiner Säue. Ihm sind seine Tiere lieb und teuer. Der Migros jedoch zu teuer. Der Bauer fühlt sich mit seinen über 600 Tieren vom orangen Riesen im Stich gelassen. «Vor zwei Jahren wollte die Migros die Abnahmemenge bei den IP-Bauern noch ausbauen. In den letzten Monaten hat sie uns bei den Verhandlungen lange vertröstet – und am Ende gar die Abnahmemenge reduziert», sagt der Schweinebauer beim Empfang von Blick auf seinem Hof.
Arn ist Mitglied der Fachpruppe Porc IP-Suisse, die sich in einem offenen Brief an die Migros Supermarkt AG wegen des kurzfristigen Rückziehers gewendet hat. «Wir sind schwer enttäuscht», schreibt Arn stellvertretend darin für weitere unterzeichnende Landwirte. «Es braucht keine kurzfristigen Marktdiktate zulasten der Produzenten.»
Die Schweizer Bauern gehen auf die Strasse
«Wir sind keine Fabrik»
Im vergangenen Jahr konnten die Bauern noch 700'000 Schweine über das IP-Label absetzen. Dieses steht für eine umweltschonende und tiergerechte Landwirtschaft. Im laufenden Jahr 2024 will die Migros als grösster Abnehmer von IP-Schweinefleisch den Bauern plötzlich 40'000 Tiere weniger abkaufen.
Am Vortag wurden bei Arn gerade neue Ferkel angeliefert. Genau diese Jungtiere verdeutlichen, warum dem Schweinebauer das Vorgehen der Migros gewaltig stinkt. Der aktuelle Schweinezyklus läuft bereits. «Wir sind nicht eine Fabrik, in der man auf den Knopf drücken kann und produziert wird. Die Tiere sind schon geboren oder die Säue trächtig. Und jetzt kann man einen Teil davon nicht mit dem Label-Zuschlag verkaufen», ärgert er sich.
Für IP-Schweinefleisch erhalten die Bauern einen Zuschlag, damit sie die höheren Kosten des Standards finanzieren können. Aktuell sind dies 40 Rappen pro Kilo – im Mittel der letzten Jahre waren es 35 Rappen. Gemäss Arn wären jedoch 50 Rappen nötig, damit die Rechnung für die IP-Bauern aufgeht.
Schweine stehen bei der Schweizer Bevölkerung beim Fleischkonsum noch vor Geflügel zuoberst auf der Speiseliste. Sie verzehrten 2022 pro Kopf 20,7 Kilogramm. Doch der Konsum ist rückläufig. 2017 waren es noch 22,2 Kilogramm pro Einwohner. Im selben Zeitraum ist der gesamte Schweinefleischkonsum in der Schweiz um über 5000 Tonnen auf 184'400 Tonnen gesunken. Während der Pandemie kochten die Schweizer jedoch wieder öfter daheim und griffen im Laden vermehrt zu Schweinefleisch. Die Bauern fuhren ihre Produktion hoch und sorgten 2022 und im Frühjahr 2023 für eine Überproduktion. «Trotz fehlender Nachfrage unterstützte die Migros die Bauern, nahm ihnen die Tiere ab und verarbeitete sie», schreibt die Migros dazu. Der Detailhändler rechnet auch künftig mit einer sinkenden Nachfrage beim Schweinefleisch.
Schweine stehen bei der Schweizer Bevölkerung beim Fleischkonsum noch vor Geflügel zuoberst auf der Speiseliste. Sie verzehrten 2022 pro Kopf 20,7 Kilogramm. Doch der Konsum ist rückläufig. 2017 waren es noch 22,2 Kilogramm pro Einwohner. Im selben Zeitraum ist der gesamte Schweinefleischkonsum in der Schweiz um über 5000 Tonnen auf 184'400 Tonnen gesunken. Während der Pandemie kochten die Schweizer jedoch wieder öfter daheim und griffen im Laden vermehrt zu Schweinefleisch. Die Bauern fuhren ihre Produktion hoch und sorgten 2022 und im Frühjahr 2023 für eine Überproduktion. «Trotz fehlender Nachfrage unterstützte die Migros die Bauern, nahm ihnen die Tiere ab und verarbeitete sie», schreibt die Migros dazu. Der Detailhändler rechnet auch künftig mit einer sinkenden Nachfrage beim Schweinefleisch.
Das sagt die Migros
Arn hat den Hof von seinem Vater vor 26 Jahren übernommen und in den letzten 20 Jahren mehr als eine Million Franken investiert. Damit diese Mehrausgaben bis zur Pension wieder hereinkommen, benötigt er Planungssicherheit. «Diese kurzfristig kommunizierte Mengenanpassung der Migros ist nicht fair. Es scheint, dass die Verantwortlichen bei Migros die Situation völlig falsch eingeschätzt haben und die Bauern das nun ausbaden müssen», sagt Arn.
Die Migros beschwichtigt auf Anfrage: «Die Abnahme der Tiere ist gewährleistet», sagt Sprecher Marcel Schlatter. «Im Moment herrscht im sogenannten ‹Schweinezyklus› gar eine ausserordentliche Knappheit an Schweinen und wir schlachten deutlich mehr IP-Suisse-Tiere als eigentlich geplant. Es besteht keine Gefahr, dass der aktuelle Produktionszyklus nicht abgesetzt werden kann», führt er aus. Danach will die Migros die Abnahmemenge im Laufe des Jahres reduzieren.
Arn hält dagegen: «Der Zyklus dauert rund elf Monate, wir IP-Bauern werden also in der zweiten Jahreshälfte Probleme kriegen.» Eine vertrackte Sache also.
Bauern schmeissen den Bettel hin
Derzeit aber treibt die Knappheit die Preise. Das Kilogramm Schweinefleisch kostet 4.40 Franken. Aus Sicht der Migros sind das «ausserordentlich hohe» Richtpreise. Gemäss Arn ist das der Preis, den die Bauern benötigen, damit sie profitabel arbeiten können. Im letzten Jahr fiel der Preis wegen der Überproduktion in den Keller – zeitweise lag er bei 2.80 Franken pro Kilo. «Viele Bauern haben Verlust gemacht und den Bettel hingeschmissen», so Arn. Deshalb liegt die Schlachtmenge derzeit 10 Prozent tiefer, was zur aktuellen Unterversorgung führt.
Das spielt den Bauern in die Karten. Doch Migros und Coop kommen beim IP-Schweinefleisch auf einen Marktanteil von 85 Prozent. «Wenn die Detailhändler ihre Marktmacht für noch mehr Preisdrückerei nutzen, gibt es uns irgendwann nicht mehr und die Schweiz muss ihr Fleisch mit schlechteren Haltebedingungen aus dem Ausland importieren.»
Kunden greifen vermehrt zu billigem Fleisch
Für Arn ist klar, dass sich die Schweinebauern an den Markt anpassen müssen. Was ihn aber stört: Die Detailhändler würden mit dem Tierwohl Werbung machen. Ein grosser Teil der Bevölkerung spreche sich in Abstimmungen für mehr Tierwohl aus und greife im Laden aber immer öfter zu billigerem Fleisch. Dafür hat Arn zwar wegen der allgemeinen Teuerung Verständnis. «Doch das passt alles nicht zusammen.»
Die Migros betont, dass man sich bei allem Verständnis für die Bauern nach der Kundennachfrage richten müsse. Und diese verlangt offenbar vermehrt nach billigem Fleisch. Es besteht also durchaus eine Nachfrage nach Schweinen, allerdings weniger nach denen mit IP-Zuschlag.