Bauernverbandspräsident Markus Ritter (56) traute seinen Augen kaum, als er das Abstimmungsresultat sah. Mit knappen 94 zu 89 Stimmen hat der Nationalrat am Mittwoch eine neue Öko-Vorschrift für die Landwirtschaft versenkt – noch bevor diese überhaupt umgesetzt worden ist. Ein Resultat, mit dem der oberste Bauer nicht gerechnet hat.
Mit der Massnahme will der Bund die Biodiversität fördern und den Pestizidverbrauch senken. Sie sieht vor, dass Bauern 3,5 Prozent der Ackerfläche künftig nicht mehr bewirtschaften dürfen, sondern Bienen, Käfern und Schmetterlingen überlassen müssen.
Bauern hatten schon mit Säen begonnen
Das 3,5-Prozent-Ziel ist in der Landwirtschaft höchst umstritten. Schon zweimal hat der Bund die Einführung auf Druck der Bauernlobby um ein Jahr verschoben. Die Landwirte hatten längst mit der Aussaat für die neuen Ökoflächen begonnen, als Ende vergangenes Jahr das Parlament den Entscheid traf, die Massnahme noch immer nicht umzusetzen.
Nun dürfte sie ganz vom Tisch sein. Denn dass auch der Ständerat der Aufhebung zustimmen wird, ist so gut wie sicher.
Natur- und Umweltschutzorganisationen wie der WWF sind konsterniert. Die Einführung der 3,5 Prozent Ökoflächen seien «ein Versprechen von Bundesrat und Parlament an die Bevölkerung, um den Pestizid-Einsatz in der Landwirtschaft zu reduzieren», sagt WWF-Sprecher Jonas Schmid. Schon mehrfach habe sich das Parlament hinter diese Massnahme gestellt, nun knicke der Nationalrat ein. «Es wäre wenigstens ehrlich, wenn er auch hinstehen und der Bevölkerung erklären würde, dass er den Pestizid-Einsatz nicht verringern möchte.»
Bauernproteste sind der Grund
Grund für den unerwarteten Entscheid sind die Bauernproteste, die in den vergangenen Wochen auch die Schweiz, insbesondere die Romandie, erreicht haben. Dessen ist sich Bauernverbands-Chef Ritter sicher. «Die Kundgebungen haben zu einem Umdenken geführt», sagt er. So waren es welsche FDP-Nationalrätinnen und -Nationalräte, die gekippt sind. Zusammen mit einer geschlossenen SVP und der Mehrheit der Mitte haben sie die Ökoflächen beerdigt. Die Schweizer Bauern fordern bei ihren Protesten unter anderem faire Produzentenpreise und nicht immer mehr Umwelt-Auflagen.
Der Druck der wütenden Bauern wog offenbar schwerer als die Worte von Landwirtschaftsminister Guy Parmelin (64). Er hatte im Rat erneut gemahnt, dass es fast schon gegen Treu und Glauben verstosse, die 3,5-Prozent-Richtlinie jetzt zu kippen. Denn erst vor drei Monaten hatte das Parlament dem Bundesrat noch den Auftrag erteilt, einen Kompromiss auszuarbeiten. Davon will der Nationalrat jetzt nichts mehr wissen.