Die Szene hat etwas Surreales: Traktor um Traktor rollt in Schrittgeschwindigkeit über die Landebahn, mehr als hundert Drehlichter blinken gleichzeitig – während rings um den Berner Flugplatz Langenthal-Bleienbach nur Wiesen zu sehen sind, in Dunkelheit versunken.
Zwei Jugendliche sitzen gegen 22 Uhr in einer der Zugmaschinen, einer dreht sich um, klopft an die hintere Scheibe, die Kollegen winken zurück. Über den Fahrzeugen sirrt eine Drohne, schwere Motoren brummen. Sonst ist kaum etwas zu hören.
Die Bauern Bern hatten für den Freitagabend an vier Orten solche «ruhige Mahnwachen ohne jegliche Behinderung» organisiert. Hinzu kam eine Aktion auf privatem Grund in Kerzers FR. Rund 1000 Traktoren und «gut 2000» Teilnehmende schlossen sich laut den Organisatoren in wenigen Tagen dem «Weckruf an Verwaltung, Politik und Marktakteure» an. Ihre Forderungen: «Mehr Planungssicherheit und Wertschätzung, weniger Bürokratie, faire Preise.»
Hinter den Bauern Bern stehen acht Landwirte, die zwar zum kantonalen Bauernverband gehören, dort aber keine Funktion bekleiden. Im Unterschied zu den Bauernprotesten anderswo in Europa ist es hier erklärtes Ziel, niemanden zu stören.
«Wenn wir alle zusammen mit unseren Traktoren nach Bern fahren würden, wäre der mediale Effekt gigantisch», sagt Biolandwirt Daniel Hasler aus Walterswil BE und scrollt durch beeindruckende Aufnahmen von verschiedenen Mahnwachen mit Hunderten blinkender Traktoren, die seine Kollegen soeben auf Tiktok geteilt haben. «Bei einer Fahrt nach Bern wäre ich nicht mitgekommen.» Es sei kontraproduktiv, wenn man die Menschen verärgere.
Die Vorgaben sind kompliziert
Um 20 Uhr hat die Aktion auf dem Flugplatz begonnen. Ein «Kurzreferat» vom Oberaargauer Bauernverein, ein «gemütlicher Teil», später Drohnenaufnahmen mit den blinkenden Landmaschinen standen auf dem Programm, anschliessend sollten alle mit ihren Autos und Traktoren heimfahren.
Es gibt Wurst, Brot und Getränke, aber weder Alkohol noch Musik. Landwirt Beat Schwab, der seit Montag die Aktion am Flugplatz koordiniert hat, ist extra einen Tag früher aus den Skiferien zurückgekommen, damit er teilnehmen kann. «Die Bauern machen die Faust im Sack», sagt er, «aber es ist wichtig, dass es heute ruhig und friedlich zugeht, sonst ist nachher nur das Negative in den Schlagzeilen.»
Mehr zu den Bauern
Schwab gehört ein grösserer Hof mit Milch- und Ackerwirtschaft in Niederbipp BE. Ihn ärgern die immer komplizierteren Vorgaben – «am Alter kann es nicht liegen, ich bin 38» – und die seiner Meinung nach zu hohen Margen der Detailhändler: «Die Preise im Laden sind massiv gestiegen. Aber wir erhalten nur einen Bruchteil davon.»
Vor dem Wurststand steht eine Schlange Männer und Frauen mittleren Alters, Kinder sitzen auf den Schultern ihrer Eltern, Jugendliche stehen in Grüppchen zusammen und unterhalten sich in Zimmerlautstärke wie alle anderen hier.
«Migros und Coop nehmen uns einfach viel zu viel ab»
Manche von ihnen sind sich nicht sicher, ob sie den Hof der Eltern irgendwann übernehmen werden, schliesslich, so sagen sie, wollen sie sich auch mal einen Urlaub leisten können.
Die 26-jährige Janine Müller aber will unbedingt mit ihrem Partner den Hof der Eltern übernehmen. Sie ist hier, obwohl sie morgen Geburtstag hat und eigentlich feiern will: «Uns ist wichtig, dass wir uns vom Erlös als Familie finanzieren können.» Diesel, Strom, Maschinen – alles werde für Bauernfamilien immer teurer. «Dabei erhalten wir für unsere Produkte nicht mehr.»
Adrian U.* führt einen Familienbetrieb mit seiner Frau, dem Bruder und dessen Frau, auch der elfjährige Sohn darf manchmal mithelfen. Der Sohn fährt am liebsten im Traktor mit. Weil das Geld nicht reicht, arbeitet Adrian U. ausserdem nebenbei für die Landi. «Migros und Coop nehmen uns einfach viel zu viel ab für das, was sie zum fertigen Produkt beitragen.»
Nicht nur von Bauern ist diese Kritik zu hören. Auch Preisüberwacher Stefan Meierhans kritisiert die Margen der Detailhändler. Im vergangenen Herbst kündigte er, wie Blick berichtete, eine Untersuchung bei Biolebensmitteln an. Gemüsebäuerinnen, die Coop und Migros beliefern, legten der Westschweizer Konsumentenorganisation FRC ihre Kosten und Verkaufspreise offen. Die verglich diese Angaben mit den Ladenpreisen. Und kam zum Schluss: Die Detailhändler schlagen eine unangemessen hohe Marge auf.
Die Schweizer Grossverteiler widersprachen: «Der Preisüberwacher konnte bis heute keine Fakten präsentieren, wonach die Migros überhöhte Margen erziele.» Und Coop erklärte, der hart umkämpfte Detailhandelsmarkt in der Schweiz lasse überhöhte Margen nicht zu.
Alle Anwesenden auf dem Flugplatz berichten von der Flut administrativer Aufgaben und ständig wechselnden Regeln, die kaum zu überblicken seien. Politik und Gesellschaft sollten sich überlegen, was sie von den Bauern wollten, so der Tenor. Und dann dabei bleiben.