Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz sind wütend. Während sie hart auf ihren Feldern arbeiten, schöpfen andere den Gewinn ab: So lautet im Kern die Kritik von Stefan Flückiger, Präsident von Faire Märkte Schweiz (FMS).
Der Verein, der nach eigenen Angaben für faire Preise in der Landwirtschaft kämpft, hat zu diesem Zweck eine Meldestelle für «Marktmissbrauch» eingerichtet. Dort seien in den letzten Monaten brisante Hinweise von Bauern und Betreibern kleiner oder mittelgrosser Mühlen eingegangen, wie Flückiger sagt.
Getreidebauern sollen zu hohe Beiträge gezahlt haben
Der Verein sei diesen Angaben nachgegangen, so der FMS-Präsident. Und tatsächlich: «Wir haben starke Anhaltspunkte dafür, dass Getreidebauern zu hohe Beiträge an grosse Schweizer Exportfirmen wie Nestlé und Biskuitproduzenten zahlen müssen.»
Mehl aus der Schweiz muss verbilligt werden, um im Ausland wettbewerbsfähig zu sein. Deshalb erhalten Unternehmen, wenn sie Produkte exportieren, die damit hergestellt werden, sogenannte Ausfuhrbeiträge. Diese Beiträge zahlen zu einem Grossteil die Bauern. Je höher der Mehlpreis hierzulande, desto mehr müssen sie von ihren Subventionen an die Exportfirmen abgeben.
Exportunternehmen würden sich bereichern
Der Verein FMS hat seine Kritik in einem bislang unveröffentlichten Bericht zusammengefasst, der Blick vorliegt. Demnach spricht einiges dafür, dass Getreidebauern den Exportunternehmen pro Jahr drei bis vier Millionen Franken zu viel bezahlen – wie Flückiger vermutet, wegen «zu hoch gemeldeter Mehlpreise». Die Meldungen kämen von Grossmühlen wie Swissmill, die Coop gehört, oder der Groupe Minoteries, die eng mit der Migros kooperiert.
Wenn die Mühlen tatsächlich einen zu hohen Mehlpreis melden, wie der Verein Faire Märkte vermutet, führt das dazu, dass Exportunternehmen zu hohe Ausfuhrbeiträge kassieren – auf Kosten der Getreidebauern.
Anzeige wird nächste Woche eingereicht
Laut Flückiger wurden dem Verband Offerten der Grossmühlen zugespielt, die belegen, dass sie Industriekunden wie Nestlé Preise anbieten, die bis zu 15 Prozent unter dem Preis liegen, den sie dem Bund melden, der wiederum den Schweizer Mehlpreis berechnet.
FMS will kommende Woche eine Anzeige bei der Wettbewerbskommission einreichen. Flückiger: «Wir fordern, dass die Weko den Markt für Brotgetreide analysiert und abklärt, ob Verstösse gegen das Kartellgesetz vorliegen.»
Konkret soll die Weko prüfen, ob «die Grossmühlen Swissmill und Groupe Minoteries ihre Marktmacht missbrauchen.» Die Weko lässt offen, ob sie darauf eintreten wird.
Anschuldigungen werden zurückgewiesen
Coop, Swissmill und Groupe Minoteries verweisen, ebenfalls auf Anfrage von Blick, an den Dachverband Schweizerischer Müller. Dieser spricht von «groben Fehlbehauptungen». Die Mühlen meldeten genau die Preise, die vom Bund angefragt werden, sie seien nicht zu hoch angesetzt. Sie selbst profitieren nicht direkt von den Ausfuhrbeiträgen, diese gingen an die Exporteure. Auch unter den Exportunternehmen seien kleine und mittelgrosse Unternehmen, von denen viele die Ausfuhrbeiträge ebenfalls erhalten. Dass auch die Exporteure in diesem System nicht zu gut wegkommen, zeige der kürzliche Entscheid von Nestlé, einen relevanten Teil seiner Produktion von Fertigteigen aus Wangen SZ ins Ausland zu verlagern.
Das für die Festsetzung der Mehlpreise zuständige Bundesamt für Landwirtschaft betont, es halte sich an seinen gesetzlichen Auftrag: Die Preise würden anhand der verkauften Mengen gewichtet. Dabei berücksichtige man auch Vergünstigungen wie Mengenrabatte.
Flückiger widerspricht den Aussagen des Bundesamts für Landwirtschaft
Flückiger hält an den Vorwürfen des Vereins Faire Märkte fest: «Die Statistik vom Bund wird der Marktrealität nicht gerecht. Die Müller, die sich bei uns gemeldet haben, sind Mitkonkurrenten (der Grossmühlen; Red.) und kennen deshalb die Preise. Eine kleine Pizzeria oder Bäckerei zahlt erheblich mehr als ein grosser Industriekunde.»
Kleinere Firmen, die keine grossen Mengen beziehen, seien für den effektiven Mehlpreis nicht relevant, so Flückiger. Entscheidend seien die Grossfirmen: Zum Vorwurf der Falschbehauptung sagt er: «Unser Engagement für mehr Transparenz wird offenbar nicht geschätzt.»