Allzeithoch wegen Trump
Warum es in chaotischen Zeiten nicht ohne Gold geht

Das moderne Geldsystem erfordert theoretisch keine Goldreserven. Doch als Stabilitätsanker spielt das Edelmetall weiterhin eine Rolle. Der Preis steigt deshalb. Heute Dienstagmorgen auf einen neuen Rekord von 3500 Dollar pro Unze.
Publiziert: 11:46 Uhr
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Aktualisiert: 13:23 Uhr
Goldbarren aus den unterirdischen Tresoren der Bundesbank in Deutschland.
Foto: imago/Hannelore Förster

Darum gehts

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Peter Rohner
Peter Rohner
Handelszeitung

Gold ist hoch im Kurs. In diesen chaotischen Zeiten dient es Investoren als sicherer Hafen. Die Zentralbanken in Asien und Osteuropa füllen ihre Reserven ebenfalls mit Gold, dessen Preis heute Dienstag zum ersten Mal auf über 3500 Dollar pro Unze gestiegen ist. Auch in der Schweiz werden Stimmen laut, die von der SNB ein Umdenken fordern. Denn sie hält seit 2008 unverändert 1040 Tonnen, während sich die Devisenreserven verzehnfacht haben. Ausserdem befindet sich das dollarbasierte Weltwährungssystem im Umbruch. Was ist von solchen Forderungen zu halten? Und wozu horten Zentralbanken Edelmetalle?

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Die Bedeutung von Gold für das Geldwesen früher und heute

Moderne Währungen sind reine Vertrauenssache. Eine Hunderternote ist nur etwas wert, weil wir darauf vertrauen, dass sie überall akzeptiert wird. Für das Vertrauen sorgen die Zentralbank mit der Kontrolle über die Geldmenge und der Staat, der Steuern in der Währung erheben kann. Das Papier- oder Fiatgeld hat sich im 20. Jahrhundert durchgesetzt. Davor waren die Währungen meistens durch Edelmetalle gedeckt, oder es wurde direkt mit Gold- und Silbermünzen bezahlt. Während des klassischen Goldstandards galt ein festes Umtauschverhältnis zwischen den Währungen, und sie konnten jederzeit bei der Zentralbank in Gold eingetauscht werden. Wegen des scharfen Anstiegs der Staatsausgaben suspendierten oder beendeten die Staaten ab 1914 den Goldstandard. Nach den Briten (1931) gaben 1933 auch die USA während der Grossen Depression die Goldkonvertibilität auf. Die Schweiz bekannte sich zusammen mit Frankreich, Italien und den Beneluxstaaten weiterhin zur Goldwährung.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Das Ende des Bretton-Woods-Systems und die Entkoppelung von Gold und Geld

Am Ende des Zweiten Weltkrieges etablierten die Siegermächte in Bretton Woods ein goldgedecktes Weltwährungssystem. Es galten feste Wechselkurse zum Dollar, den die Zentralbanken bei der Fed zu 35 Dollar pro Unze in Gold tauschen konnten. Für das nötige Vertrauen in das System sorgten die hohen Goldreserven der USA, die damals über 70 Prozent der globalen Goldbestände verfügten. Doch das System stiess in den 1960er-Jahren an seine Grenzen: Die Goldförderung konnte nicht mit dem Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit mithalten. Wegen der expansiven US-Fiskalpolitik zur Finanzierung des Vietnamkriegs zog die Inflation an. Das Defizit gegenüber den Überschussländern wuchs noch stärker. Zudem begann auch Deutschland, seine riesigen Dollar-Reserven in Gold umzutauschen, wodurch die US-Goldbestände im Verhältnis zu den Auslandschulden rapide abnahmen. 1971 schliesslich hob US-Präsident Richard Nixon die Konvertierbarkeit des Dollar in Gold auf und setzte damit dem Bretton-Woods-System ein Ende.

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Als die Nationalbank mehr als die Hälfte ihres Goldes verscherbelte

Nach gescheiterten Versuchen, die Währungen kontrolliert zum Dollar «floaten» zu lassen, gaben mehr und mehr Länder Anfang der 1970er-Jahre ihre Wechselkurse frei. Die SNB gab die Interventionen zur Stützung des Dollar-Kurses 1973 auf. An den Goldreserven änderte das allerdings vorerst wenig. Denn rechtlich war der Franken noch bis zur Verfassungsrevision 1999 ans Gold gebunden. Die SNB besass damals 2590 Tonnen Gold – fast einen Drittel dessen, was die USA in ihren Tresoren hatten. Es bestand ein breiter Konsens, dass die Goldbestände im Verhältnis zu den sonstigen Aktiven zu hoch seien. 1999 begann die SNB, Gold zu verkaufen. Bis 2005 stiess sie koordiniert mit anderen Zentralbanken 1300 Tonnen ab. Ein Drittel des Erlöses von 19 Milliarden Franken ging an die Kantone, zwei Drittel an den Bund, der das Geld in den AHV-Fonds steckte. Zwischen 2007 und 2009 veräusserte die SNB nochmals 250 Tonnen, um Devisen aufzustocken und einen «ausgewogeneren» Reservenmix zu erreichen, nachdem der Goldpreis in der Finanzkrise stark gestiegen war.

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Die Bedeutung von Goldreserven in Zeiten des Fiatgeldes

Durch die Verkäufe fiel der SNB-Goldbestand auf das heutige Niveau von 1040 Tonnen. Gemessen an der Bevölkerung und dem BIP sind das aber immer noch mit Abstand die grössten Goldreserven der Welt. Die Gold-Initiative, die unter anderem einen Mindestanteil von 20 Prozent Gold an den Aktiven verlangte, wurde 2014 vom Volk abgelehnt. Unterdessen haben die 1040 Tonnen einen Wert von 85 Milliarden Franken – doppelt so viel wie 2009. Dennoch ist der Anteil an den Reserven von 30 auf 10 Prozent gefallen, weil die SNB im Rahmen ihrer Geldpolitik über Jahre massiv Fremdwährungen gekauft hat, nicht aber Gold. Die Industrieländer halten im Schnitt 29 Prozent ihrer Reserven in Gold. In den USA, Frankreich, Italien und Deutschland macht Gold immer noch rund 70 Prozent aus. Auch wenn Gold längst kein Zahlungsmittel mehr und vom Geldwesen entkoppelt ist, haben diese Länder das meiste Gold behalten, sei es als strategische Reserve oder als Stabilitätsanker, der Vertrauen in die Währung schaffen soll.

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Andere Zentralbanken kaufen wieder Gold – aus unterschiedlichen Gründen

Eine ideale Goldquote gibt es nicht. Gold hat den Nachteil, dass es keine Zinsen abwirft. Und zur Stützung der eigenen Währung sind Devisen effektiver. Fakt aber ist: Die Schwellenländer haben einen geringeren Goldanteil in ihren Reserven als die Industrieländer. Sie sind es aber auch, die seit Jahren verstärkt Gold kaufen. Der Kreis der Käufer geht dabei über Indien und China hinaus. Russland verdoppelte seine monatlichen Goldkäufe nach den Sanktionen wegen der Krim-Annektion 2014. In den letzten beiden Jahren ist Polen als Grosskunde aufgefallen, 2022 hat die Türkei am meisten Gold gekauft, 2021 Thailand. Hauptmotivation ist die bessere Diversifikation und ein gewisses Misstrauen gegenüber dem Dollar und den anderen hoch verschuldeten Industriestaaten. Da die Idee einer Brics-Währung nicht zum Fliegen kommt, bleibt fast nur Gold übrig. Dass die USA wie im Falle Russlands den Dollar als Sanktionswaffe einsetzen, dürfte andere Schwellenländer ebenfalls aufgeschreckt haben.

Fazit

Goldreserven sind für Zentralbanken auch in Zeiten von ungedecktem Fiatgeld wichtig, da sie das Vertrauen in die Währung stärken. Die Frage ist bloss, wie viel Gold es sein soll. Die Schweiz besitzt trotz den Verkäufen zu Beginn des Jahrtausends mehr Gold als Japan oder Indien. Im Verhältnis zu den übrigen Aktiven ist der Goldanteil jedoch vergleichsweise gering. Während die Schwellenländer ihre Goldreserven ausbauen, beträgt der SNB-Goldbestand seit 2008 unverändert 1040 Tonnen. Sie sind 85 Milliarden Franken wert. Die Dollar-Assets stehen mit 300 Milliarden Franken in der SNB-Bilanz. Angesichts der erheblichen Risiken, die von der US-Politik ausgehen, sind Überlegungen, die Reserven in Richtung Gold zu diversifizieren, nicht falsch, auch wenn das den Dollar schwächen würde. Man verfolge die Situation sehr genau und sei bereit, bei Bedarf zu reagieren, hiess es seitens der SNB im März. Die Risiken für das Dollar-Portfolio seien jedoch relativ gering. Das aber war noch vor dem «Liberation Day».

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