Darum gehts
- Oswald Grübel äussert sich zu Märkten, Trump und Schweizer Banken
- Grübel sieht Trump als wirtschaftlich kompetent trotz persönlicher Abneigung
- Er zählt auf, was den Finanzplatz wirklich bedrohen könnte
Noch immer fährt Oswald Grübel (81) jeden Tag in sein Büro am Zürcher Schanzengraben mitten im Herzen des Finanzplatzes. Während andere sich längst auf ihren Lorbeeren ausruhen würden, hat der ehemalige Chef von Credit Suisse und UBS ein waches Auge auf das Börsengeschehen. Nur seine Risikostrategie hat er über die Jahre etwas angepasst.
Blick: Die Märkte sind in Aufruhr – was macht Ihnen am meisten Sorgen?
Oswald Grübel: Die Märkte machen mir weniger Sorgen, sie widerspiegeln die Unsicherheit der Anleger über die Zukunft. Das hat viel mit Psychologie und auch Politik zu tun, immer spannend.
Spannend? Das Chaos in Washington ist doch eher beunruhigend.
Man kann das auch anders sehen: Das Verhalten Washingtons löst Aktionen in Europa aus. Deutschland zum Beispiel will sich mit 500 Milliarden Euro zusätzlich verschulden – das gab es noch nie! Auch wenn wir es vielleicht nicht akzeptieren wollen, so müssen wir doch verstehen, dass die USA nach wie vor die wirtschaftlich und militärisch stärkste Nation der Welt sind. Sie sagen, wo’s lang geht – unabhängig davon, wer gerade Präsident ist oder ob es uns gefällt.
Aber Donald Trump wirft gerade sehr vieles über den Haufen.
Nun, der aktuelle Präsident setzt rigide das um, was er vorher angekündigt hat. Wir in Europa stehen mit abgesägten Hosen da, weil wir seit 1990 die sogenannte Friedensdividende konsumiert haben. Es müsste doch jedem Demokraten klar sein, dass eine Demokratie nur bestehen kann, solange sie sich verteidigen kann.
Was halten Sie von Trump?
Als Investmentbanker bei Credit Suisse First Boston hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, Herrn Trump in den 80er-Jahren kennenzulernen. Meine Reaktion damals: Trump möchte ich nie wieder treffen. Das war damals ein grosser Schock für mich. Sein Auftreten als Immobilien-Tycoon, sein Ego, sein Narzissmus und seine sehr direkte Sprache – das war ich als Europäer einfach nicht gewohnt.
Und heute?
Sein Verhalten mag ich auch jetzt nicht, aber er versteht etwas von Wirtschaft. Die Wahl von Kamala Harris wäre wirtschaftlich ein Desaster gewesen.
Versteht er wirklich so viel von Wirtschaft?
Das hat er in seiner ersten Amtszeit bewiesen. Er hat die Wirtschaft richtig aufgegleist und die Unternehmen haben ihm seinen Optimismus abgenommen. In Europa hat man das Gefühl, es drehe sich bei ihm vieles nur um Steuersenkungen für Superreiche. Das stimmt so nicht. Menschen aus allen sozialen Schichten haben ihn gewählt. Auch viele mit tiefen Einkommen. Sie alle wollen den amerikanischen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär wieder leben.
Aber die Zölle sind kaum im Interesse der amerikanischen Wirtschaft?
Sie müssen sich die Argumente von Trump genau anhören. Er will zum Beispiel den Nachteil der europäischen Mehrwertsteuer ausgleichen. So eine Steuer kennen die USA nicht, es gibt lokale Verkaufstaxen, aber die sind meist tiefer. Wenn man auf aus den USA importierte Produkte eine Mehrwertsteuer von 20 Prozent draufschlägt, ist das aus Sicht der Amerikaner nichts anderes als ein Importzoll. Für seine Zölle hat Trump teilweise gute Argumente.
Den US-Börsen schmeckt das nicht. Warum sind die Kurse in den letzten Wochen so eingebrochen?
Weil der Markt seit 2022 nach einem Anstieg von 70 Prozent stark überbewertet war, als man glaubte, die Welt gehe unter. Den letzten Schub gab es mit der Wahl von Trump, vor allem für Techaktien und die Chip-Industrie. Jetzt müssen diese Unternehmen erst einmal beweisen, dass sie die hohen Bewertungen wert sind.
Auch die europäischen Börsen sind stark angestiegen – warum sind diese in den letzten Wochen nicht eingebrochen?
Weil alle wissen, dass die EZB all die neuen Schulden und Defizite finanzieren wird. Das wird sich später negativ auf die Märkte auswirken.
Und den Franken stärken?
Das weiss nur die SNB. Für mich ist es nicht erklärbar, warum die Nationalbank aus wirtschaftlichen Gründen den Franken abschwächt. Wir importieren mehr aus der EU, als wir dorthin exportieren. Wir sind von der EU genauso abhängig wie sie von uns. Wir haben scheinbar einen Minderwertigkeitskomplex. Wir glauben, den Europäern sei die Bedeutung der Schweiz als Handelspartnerin egal.
Was reizt Sie daran, immer noch jeden Tag ins Büro zu gehen?
Das tägliche Geschehen in der Welt, es gibt nichts Spannenderes. Ich halte mich auf dem Laufenden, treffe Leute. Das hält mich geistig fit und erlaubt mir, Schlüsse für meine Investments zu ziehen.
Andere würden Golfen gehen.
Seit ich geboren wurde, kam mir dieser Gedanke nie (lacht).
Wie gehen Sie persönlich mit Verlusten um?
Ich war über 50 Jahre im Banking: Wo es Gewinne gibt, gibt es auch Verluste. Es geht um Risiko. Kein Mensch kann jedes Risiko immer richtig einschätzen. Wer das könnte, wäre ein Genie und hätte alles Geld der Welt.
Gerade Kleinanleger fürchten sich vor Verlusten, haben deswegen schlaflose Nächte.
Es gibt keinen Unterschied zwischen Klein- und Grossanlegern. Jeder Anleger muss sich bewusst sein, was es bedeutet, wenn er Aktien kauft. Zudem kommt es auf den Anlagehorizont an. Wenn Sie jung sind, können sie langfristig in Aktien einzelner Firmen, von denen sie überzeugt sind, investieren. Ein Anlageentscheid ist immer ein Entscheid über die Zukunft.
Und was machen Sie in Ihrem Alter?
Da werden Sie zum Daytrader (lacht). Ich investiere in Werte, die ich vererben kann, wie zum Beispiel Gold. Oder ich investiere mit einem Anlagehorizont von maximal einem Jahr.
Kaum ein anderer Top-Manager der Finanzbranche geniesst in der Schweiz so viel Respekt wie Oswald Grübel (81). Die Bankerlegende ist die einzige Person, die beide Schweizer Grossbanken geleitet hat. Von 2003 bis 2007 war der gelernte Bankkaufmann CEO der Credit Suisse, ab 2009 leitete er für zwei Jahre die UBS. Grübel stammt aus Ostdeutschland und verlor im Krieg seine Eltern. Aufgewachsen bei den Grosseltern, flüchtete er in den 50er-Jahren in den Westen. Sein Vermögen schätzt die Bilanz auf 175 Millionen Franken. Grübel hat eine Tochter, drei Enkelkinder und wohnt in Wollerau SZ.
Kaum ein anderer Top-Manager der Finanzbranche geniesst in der Schweiz so viel Respekt wie Oswald Grübel (81). Die Bankerlegende ist die einzige Person, die beide Schweizer Grossbanken geleitet hat. Von 2003 bis 2007 war der gelernte Bankkaufmann CEO der Credit Suisse, ab 2009 leitete er für zwei Jahre die UBS. Grübel stammt aus Ostdeutschland und verlor im Krieg seine Eltern. Aufgewachsen bei den Grosseltern, flüchtete er in den 50er-Jahren in den Westen. Sein Vermögen schätzt die Bilanz auf 175 Millionen Franken. Grübel hat eine Tochter, drei Enkelkinder und wohnt in Wollerau SZ.
Bald ist es zwei Jahre her, dass die Credit Suisse untergegangen ist. Zieht die Schweiz aus diesem Debakel die richtigen Schlüsse?
Die CS hätte nicht untergehen dürfen. Andererseits muss man Behörden und Regierung dafür loben, dass sie den Zusammenschluss mit der UBS so schnell herbeigeführt haben. Das war der richtige Entscheid für den Finanzplatz.
Warum?
Der Finanzplatz hätte grossen Schaden genommen bei einer Liquidation der CS und die Schrumpfung hätte sich beschleunigt.
Wie lässt sich das künftig verhindern?
Wir müssen uns klar darüber werden, wie wir die Banken und die Geschäftsleitung überwachen wollen. Denn es war die Geschäftsleitung, die durch unbedachte Geschäfte viel Geld und Glaubwürdigkeit verloren hat. Der CS-Verwaltungsrat hat versagt, weil er nicht die richtigen Geschäftsleitungen und CEOs angestellt hat und weil er die grossen Risiken nicht kannte oder verstanden hat. Risikoüberwachung ist Chefsache. Am Ende trägt der CEO für alles die Verantwortung.
Und will dafür auch entsprechend bezahlt werden?
Der Verwaltungsrat muss bestimmen, was ihm der CEO wert ist. Dieser trägt die Verantwortung für das gesamte operative Geschäft, also ist sein Gehalt dem Markt für CEOs global systemrelevanter Banken angeglichen.
Das sehen viele Schweizer anders.
Selbstverständlich kommt es auf die feinen Unterschiede an, wenn ein internationales Unternehmen aber gut geführt wird, profitabel und glaubwürdig ist, gibt es auch Verständnis für die Bezahlung. Der Vorschlag zur Begrenzung der CEO-Vergütung ist eine Ignorierung der Märkte, alle, die so etwas bisher versucht haben, sind kläglich gescheitert. Zudem birgt er das Risiko, vermehrt unfähige CEOs zu benennen.
Lassen sich schlechte Chefs wirklich verhindern?
Das muss immer das Ziel sein. Finma, SNB und auch der Finanzminister müssen den CEO und den Präsidenten gut kennen. Während meiner Zeit als CEO der beiden Schweizer Grossbanken, habe ich genau einmal den Finanzminister getroffen. Das war Kaspar Villiger (84). Den amerikanischen Finanzminister habe ich alle drei Monate getroffen.
Viel verspricht sich die Schweiz vom sogenannten Senior-Manager-Regime, die Verantwortung soll auf mehr Köpfe verteilt werden. Das dürften Sie für keine gute Idee halten?
Unsere Gesellschaft ist sehr um Fairness bemüht, man will niemandem mehr die gesamte Verantwortung aufbürden. So funktioniert die Wirtschaft aber nicht. Ein Gremium ist nur so stark wie sein schwächstes Glied, ein Gremium trägt nie die Verantwortung. Verantwortung ist nicht teilbar.
Braucht die Finma mehr Macht? Etwa indem sie hohe Bussen verhängen oder ihre Untersuchungen gegen einzelne Banken öffentlich machen kann?
Um den Finanzplatz zu schützen, müssen die zuständigen Behörden die Macht haben, sofort einzugreifen. Ob das öffentlich sein muss, liegt in ihrer Entscheidung, denn nur sie wissen, ob es einen Vertrauensverlust erwirken kann. Wir haben bei der CS gesehen, was daraus entstehen kann.
Und Bussen?
Das funktioniert in den USA gut, dort sind die Bussen empfindlich hoch. Eine Busse muss in Relation zum Verstoss stehen und schmerzen. Zudem gäbe das ein klares Signal an den Verwaltungsrat: Vielleicht haben wir den falschen CEO und müssen ihn auswechseln.
Braucht die UBS eine dickere Kapitaldecke?
Mehr Kapital beruhigt alle Beteiligten, wird aber nicht die Bank retten, wenn ein Glaubwürdigkeitsproblem entsteht und ein daraus resultierendes Liquiditätsproblem. Das Vertrauen der Märkte, Investoren und Kunden darf man nicht verlieren. Mehr Kapital bedeutet höhere Kosten, die dann die Kunden zu berappen hätten. Die Aufsichtsbehörden müssen entscheiden, was richtig ist für den Erhalt des Finanzplatzes. Dazu kommt noch etwas anderes.
Nämlich?
Künstliche Intelligenz. Das wird die Banken unter einen enormen Kostendruck setzen und viele Arbeitsplätze vernichten. Sie wird die Risikoüberwachung erheblich verbessern und den Kundenservice im Private Banking erleichtern.
Wollen sich die Kunden wirklich von einer Finanz-KI beraten lassen?
Es geht um sofortige Information, aus der man Investmententscheide ableiten kann. Jüngere Kunden werden das sofort akzeptieren. Sie können sich entweder von einer mit allen Informationen gefütterten KI informieren lassen, die rund um die Uhr arbeitet und die Märkte auswertet. Oder Sie können weiterhin einen Kundenberater haben, der in die Ferien geht, nicht immer erreichbar oder mal krank ist. Da wird ihre Wahl schnell auf die KI fallen.
Viele Leuten haben wegen der Grösse der UBS Angst um die Schweiz und den Finanzplatz. Teilen Sie diese Sorge?
Nein, zumal die Bilanzsummen von CS und UBS früher noch um einiges grösser waren. Angst macht mir viel mehr, dass wenige Schweizer wissen, wie wichtig der Finanzplatz für unser Land ist. Viele denken bei diesem Stichwort an überbezahlte Banker und vergessen die heute 7000 Milliarden Franken an ausländischen Vermögen, die hier liegen. Das hat uns seit 1930 viel tiefere Zinsen als bei unseren Nachbarn beschert. Davon profitieren wir alle, Hausbesitzer genauso wie Unternehmen, die günstigere Kredite bekommen.
Wo sehen sie die grösste Gefahr?
Je mehr wir uns der EU annähern und unsere Neutralität aufgeben oder in Frage stellen, umso mehr von diesem Geld werden wir verlieren, weil es keinen Unterschied mehr für die Kunden macht, ob sie das Geld in der Schweiz oder irgendwo in Europa anlegen. Das passiert nicht über Nacht, aber sukzessive, die Zinsen werden steigen und der Franken wird schwächer werden.
Sie sind kein Freund der Bilateralen III?
Wir nähern uns einem Wirtschaftsblock an, der aus Ländern besteht, denen es wirtschaftlich substanziell schlechter geht als uns. Ist das wirklich eine gute Idee? Ich denke nicht.