27 von 100 Skilehrern im Engadin positiv
Werden die Skischulen zu neuen Superspreadern?

Im Engadin stand eine Skischule ausgerechnet über die Festtage praktisch still. Schuld war ein Corona-Ausbruch unter den Skilehrern. Dennoch sei die Infektionsgefahr auf der Skipiste gering, versichern die Verantwortlichen mit Blick auf die Sportferien.
Publiziert: 15.01.2022 um 01:14 Uhr
|
Aktualisiert: 15.01.2022 um 09:06 Uhr
1/13
Die Skischule Corvatsch-Pontresina musste über die Feiertage sämtliche Kinderskistunden in Pontresina GR absagen.
Foto: Zvg
Sarah Frattaroli

Ausgerechnet zum Start der Sportferien baut sich in der Schweiz die Omikron-Monsterwelle auf: Ende Januar stecken sich laut Berechnungen der Taskforce bis zu 30 Prozent der Bevölkerung mit Omikron an – in nur einer Woche! Der Lust der Schweizerinnen und Schweizer auf Wintersport tut das offenbar keinen Abbruch: Der Buchungsstand in den Berggebieten ist laut Hotelleriesuisse verheissungsvoll. Gemäss einer Umfrage unter den Hoteliers liegen die Buchungen weit über Vorjahr.

Schon das Geschäft über die Festtage lief ausserordentlich gut. Hotels, Bergbeizen, Skischulen: ausgebucht! Nur nicht in Pontresina GR. Die Skischule Corvatsch-Pontresina musste dort ausgerechnet in der einträglichsten Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr sämtliche Kinderskistunden ausfallen lassen. Der Grund: ein massiver Corona-Ausbruch unter den Engadiner Skilehrern. 27 von 100 Angestellten hatten sich an einem Ausbildungswochenende kurz vor Weihnachten infiziert. «Und das, obwohl wir unser Schutzkonzept strikt umgesetzt haben», betont Stephan Müller (56), Geschäftsführer der betroffenen Skischule.

Betroffen vom Ausfall waren 150 Kinder. Sie wurden zum Teil in die Filiale im nahegelegenen Silvaplana verlegt. «Und ein Teil der Eltern hat seine Kinder dann selber zum Skifahren mitgenommen», erklärt Müller.

«Höhepunkt der Ansteckungen kommt noch im Januar»
0:28
Taskforce-Chefin Tanja Stadler:«Höhepunkt der Ansteckungen kommt noch im Januar»

Tieferes Infektionsrisiko an der frischen Luft

Der Massenausbruch im Engadin erinnert an einen Fall in Tirol (Ö). Dort haben sich innert kürzester Zeit rund 100 Lehrer verschiedener Skischulen angesteckt. Drohen Skischulen in den Sportferien die neuen Omikron-Superspreader zu werden? Mitnichten, argumentiert Stéphane Cattin (53), Direktor des Skilehrerverbandes Swiss Snowsports: «Wir sind ja an der frischen Luft, da ist das Infektionsrisiko kleiner als zum Beispiel im Restaurant.»

Zusätzlich erlassen die Skischulen in Eigenregie Schutzkonzepte, viele setzen beim Personal auf 3G. Bei der Skischule Corvatsch-Pontresina gilt unter den Angestellten sogar 2G. Dennoch kam es zur dümmsten Zeit zum Grossausbruch. «Wo Menschen miteinander verkehren, lassen sich Infektionen leider nie ganz vermeiden. Sogar auf den Forschungsstationen am Südpol ist Corona ausgebrochen», meint Geschäftsführer Stephan Müller dazu.

Die besondere Betroffenheit der Skischulen dürfte auch damit zusammenhängen, dass viele Skilehrer als Saisonniers in die Berge kommen, heisst es aus der Branche. Sie haben keine eigene Wohnung, kommen bei Freunden unter, schlafen zum Teil zu zweit in einem Zimmer. Und wer kennt es nicht, das Vorurteil, wonach die Skilehrer stets am längsten in den Après-Ski-Lokalen verkehren? Dessen ist sich auch Stéphane Cattin vom Skilehrerverband bewusst. «Die Schutzkonzepte gelten nur für die Arbeitszeit. Wenn die Skilehrer im Privaten zusammen Party feiern, haben wir darüber null Kontrolle. Sie sind sich der Problematik jedoch bewusst, und wir zählen auf ihre persönliche Verantwortung.»

«Wir kommen mit einem blauen Auge davon»

Eltern, die ihre Kinder in die Skischule schicken, müssten sich keine Sorgen machen, versichern die Verantwortlichen. Pandemiebedingt verzichten die Skischulen zum Beispiel auf grosse Versammlungen am Morgen. «Wir halten die Gruppen so klein wie möglich und vermeiden Vermischungen. Und wir achten auf den Abstand», so Cattin. Die meisten Kunden allerdings sind Kinder. «Da ist Abstand halten nicht immer einfach», gibt der oberste Skilehrer zu. In den Seilbahnen oder beim Zmittag im Restaurant gelten die gängigen Schutzkonzepte mit Masken und Zertifikatspflicht. Während die Skilehrer vielerorts ein 3G- oder gar 2G-Zertifikat brauchen, gilt dies für die Gäste übrigens nicht. Auch Ungeimpfte dürfen ohne Test zur Skistunde kommen. Es sei denn, die Skischule schreibt ein Zertifikat explizit vor.

Den Buchungen tut die Omikron-Wand bisher jedenfalls keinen Abbruch, Eltern scheinen auf die Schutzkonzepte im Schnee zu vertrauen. «Solange die Skigebiete offen bleiben und wir arbeiten können, rechnen wir mit einer einigermassen guten Saison», sagt Verbandschef Cattin hoffnungsvoll. Viele internationale Gäste bleiben zwar weiterhin weg. Aber in den Skischulen werden sowieso zu 80 Prozent Schweizer Kinder unterrichtet. «Wir kommen mit einem blauen Auge davon.»

Die Skischule Corvatsch-Pontresina hingegen trägt nach dem Stillstand über die Festtage mehr als nur ein leichtes Veilchen davon. Wie hoch der finanzielle Schaden ausfällt, kann die Skischule noch nicht beziffern. «Wir gehen von einer fünfstelligen Zahl aus», so Geschäftsführer Müller. Klar ist: Aufholen können die Engadiner Skilehrer den Ausfall nicht mehr. «Tourismusanbieter sind wie Blumenhändler: Was sie heute nicht verkaufen, verdirbt und kommt nicht wieder herein», sagt Müller. Die ganze Hoffnung gilt nun den Sportferien.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.