Natürlich: Auch beim Schwingen wird gezankt, getrickst, gemotzt. Und trotzdem erfreut sich der Nationalsport ungetrübter Popularität und fasziniert weite Kreise. Warum? Vielleicht wegen Episoden wie der folgenden.
Es ist Sonntagabend auf dem Stoos. Das Schwingfest im grandiosen Panorama hat die Gemüter erhitzt. Das letzte Bier ist getrunken, man stellt sich geduldig in die Warteschlange, um mit der neuen Stoosbahn wieder ins Tal zu kommen. Schwinger, Kampfrichter, Fans, Journalisten.
Die neue Stoosbahn ist der Stolz der Region. Die steilste Standseilbahn der Welt. 110 Prozent Steigung überwindet sie. Weltrekord!
In der Bahn wird gefachsimpelt, gelacht, es werden Sprüche geklopft. Im Abteil steht auch der Urner Schwinger Stefan Arnold mit seinen Kollegen. Sein Haupt ist geschmückt, er hat sich den begehrten Bergkranz gesichert.
Plötzlich stoppt die Bahn jäh und schüttelt alle durcheinander! Auf halbem Weg geht gar nichts mehr. Man zuckt zusammen und schaut in die Tiefe. Die Temperaturen steigen unter sengender Sonne immer schneller. Der Schweiss fliesst in Strömen.
Einer der Urner schaut auf den Schriftzug an der Scheibe, wo mit diesem Weltrekord der Steilheit geworben wird. Und sagt: «Die meinen mit diesen 110 Prozent wohl eher die Luftfeuchtigkeit.» Schallendes Gelächter.
Die Minuten rinnen wie der Schweiss. «Im Urnerland zahlen wir für den Saunabesuch. Hier ist der gratis», meint einer aus dem Arnold-Fanklub schmunzelnd.
Ein anderer, untersetzt und mit Bart, sagt lächelnd: «Wenn jemand Platzangst hat oder panisch wird, dann soll er sich melden. Dann muss ich ihn mit einem gezielten Faustschlag ins künstliche Koma versetzen. Das macht man auch im Flugzeug so.»
Jetzt hört auch der Letzte auf, nervös hin und her zu trippeln.
Nach vierzig Minuten kommt ein Mechaniker. Aber auch er kann die defekte Hydraulik, die die grosse Neigung immer wieder ausgleichen sollte, nicht flicken.
Dann die Durchsage, dass man mit der defekten Gondel ins Tal fahren müsse und höchste Vorsicht geboten sei. Die Kabine neigt sich immer mehr, steht schon bald bedrohlich schräg. Alle müssen sich aneinander klammern, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren.
Da meldet sich wieder ein Urner: «Hoffentlich verteilen sie unten nicht wieder das Formular zum Thema Kundenzufriedenheit», sagt er.
Das letzte schallende Gelächter, bevor die kleine Schicksalsgemeinschaft in der Talstation ankommt und praktisch auf allen vieren aus der Kabine kriecht.
Die Pannenfahrt mit der Weltrekordbahn ist nicht zum Ärgernis, sondern zum Erlebnis geworden. Dank der Schwinger und Schwingerfreunde.
Gelassen trotzt man dem Schicksal. Keiner flucht, keine bösen Worte, keine Vorwürfe, kein Groll. Jeder hat Verständnis dafür, dass so eine Panne an so einem Tag passieren kann.
Den Urnern auf diesem Weg: Herzlichen Dank für die vergnügliche Pannenfahrt.