Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Die Ohnmacht der Fans

Der neue Modus im Schweizer Fussball wird von den Fans mit Ohnmacht zur Kenntnis genommen. Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 22.05.2022 um 20:37 Uhr
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Aktualisiert: 29.05.2022 um 11:01 Uhr
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Blick-Reporter Felix Bingesser schreibt die SonntagsBlick-Kolumne Übrigens.
Foto: Thomas Meier
Felix Bingesser

Der Fussball entfernt sich von seiner Basis. Irrwitzige Transfersummen und Spielergehälter und ein schwindelerregendes Transferkarussell lassen die Fans immer ohnmächtiger zurück. Und werfen immer mehr die Grundsatzfrage auf: Was ist eigentlich der Zweck dieses hochgezüchteten Profibetriebs?

Dient er dazu, den Spielern und ihren Beratern die Taschen zu füllen? Oder dazu, einer korrumpierbaren und gierigen Funktionärskaste eine Plattform auf der Weltbühne zu bieten? Soll er als PR-Maschinerie für Schurkenstaaten und diktatorische Regimes herhalten? Dient er dazu, globalen Investoren Spekulationsgeschäfte zu ermöglichen oder Schwarzgeld zu waschen? Soll er als gut geschmiertes Marketinginstrument für einzelne Firmen vergewaltigt werden? Als Geldesel für TV-Stationen?

Natürlich nicht. Der Profifussball sollte die gesunde Lokomotive an der Spitze des Weltsports sein. Mit Figuren, die für junge Menschen ein Mindestmass an Vorbildfunktion haben. Der Fussball soll für Quartiere, Dörfer, Städte, Regionen und Länder identitätsstiftend sein. Er soll Menschen vereinen, integrieren, ihnen gar so etwas wie ein Zuhause oder ein Heimatgefühl bieten.

Der Profifussball ist nicht Selbstzweck. Sondern hat eine grosse kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung. Und damit Verantwortung.

Pandemie hat vielen die Augen geöffnet

Aber er wird immer undemokratischer. Einige wenige geben die Richtung vor und vergessen die Basis. Profifussball, der nicht getragen wird von den Menschen, ist ohne Reiz und am Ende auch irgendwie ohne Berechtigung. Die Pandemie hat gezeigt, wie steril, wie leblos und öde dieser Sport ohne seine Anhänger ist.

Dabei hat der Fussball nur einen Zweck: die Bedürfnisse seiner Fans zu befriedigen.

Das tut er immer weniger. Vielleicht sollte man die Rechtsform ändern. Fussballklubs nicht mehr als Aktiengesellschaften, sondern wieder als Vereine konstituieren. Die Generalversammlung des Vereins als oberstes Organ. Es sollen diejenigen entscheiden, die ihre Freizeit opfern, die in stundenlanger Arbeit Choreos machen, die Abos für das Stadion und für das TV bezahlen. Die ganz direkt den ganzen Betrieb finanzieren, stützen und am Leben erhalten.

Die Spieler feiern auch lieber mit den Fans als mit den Funktionären. Weil der Fussball nur in der Kurve leidenschaftlich lebt und zu spüren ist.

Playoff-Entscheid nervt die Kurven

Man muss kein nostalgischer und konservativer Romantiker sein, um das zu sehen. Wie wenig sensibel man auch in der Schweiz geworden ist, zeigt der Entscheid, Playoffs einzuführen. Obwohl die Fans dazu eine klare und dezidierte Meinung haben. Eine andere Meinung.

Die wird ausgeblendet. In einem Land, das sich die direkte Demokratie an die Fahne geheftet hat. Revolutionen sollten eigentlich von der Basis kommen. Aus dem Volk. Nicht von oben diktiert werden.

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