Blick: Belinda Bencic, was führt Sie nach Zürich?
Belinda Bencic: Ich habe hier mehrere Termine. Aber ich geniesse so einen Besuch auch privat immer sehr. Es ist die schönste Stadt überhaupt, ich kenne mich auch recht gut aus und kann meine Freundinnen treffen. Ich bin mega gerne hier – auch weil alles offen ist, das ist ja nicht selbstverständlich. Und meinem Hund Paula gefällt es auch – mein Freund Martin läuft gerade mit ihr durch die Stadt spazieren.
Waren Sie schon shoppen?
Ich habe etwas im Bongénie Grieder gestöbert, für mehr bleibt kaum Zeit. Später werde ich noch in meinem früheren Klub TC Ried in Wollerau für meinen Olympia-Sieg geehrt.
Und am Sonntag werden Sie vielleicht auch als Sportlerin des Jahres geehrt...
Eine Auszeichnung an den Sports Awards wäre natürlich schön, aber keineswegs gegeben. Ich bin ja nicht die einzige Olympiasiegerin der Schweiz.
Apropos: Nina Christen berichtete, dass sie nach Olympia in ein tiefes Loch gefallen sei. Können Sie ihr nachfühlen?
Natürlich, aber es gibt tatsächlich zwei Möglichkeiten: Entweder du spürst den Druck so stark, dass du danach in ein Loch fällst. Oder du siehst es genau umgekehrt. Mich hat der Olympiasieg eher befreit und beflügelt. Ich hatte ein grosses Ziel erreicht – danach war jeder Match eine Zugabe und ich konnte nur noch gewinnen. Jetzt weiss ich, dass meine Einstellung super funktioniert hat.
Belinda Bencic (24) hat ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Die Ostschweizerin räumte im Sommer an den Olympischen Spielen in Tokio mächtig ab: Im Einzel gewann sie Gold, im Doppel holte sie zusammen mit Viktorija Golubic Silber. Auch an den US Open gelang ihr mit dem Vorstoss in die Viertelfinals ein äusserst ansprechender Auftritt, ehe sie am Billie Jean King Cup zum Saisonabschluss ihre Rolle als Teamleaderin im Schweizer Frauen-Tennis bestätigte. Im Moment liegt sie in der WTA-Weltrangliste auf Platz 23. Auf einen Turniersieg auf WTA-Stufe wartet sie seit Moskau 2019.
Belinda Bencic (24) hat ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Die Ostschweizerin räumte im Sommer an den Olympischen Spielen in Tokio mächtig ab: Im Einzel gewann sie Gold, im Doppel holte sie zusammen mit Viktorija Golubic Silber. Auch an den US Open gelang ihr mit dem Vorstoss in die Viertelfinals ein äusserst ansprechender Auftritt, ehe sie am Billie Jean King Cup zum Saisonabschluss ihre Rolle als Teamleaderin im Schweizer Frauen-Tennis bestätigte. Im Moment liegt sie in der WTA-Weltrangliste auf Platz 23. Auf einen Turniersieg auf WTA-Stufe wartet sie seit Moskau 2019.
Was ist Ihnen sonst von diesem Jahr 2021 geblieben?
Ich bin zufrieden mit meiner Saison, kann generell nicht viel Negatives sagen. Natürlich, der Anfang hätte besser sein können. Aber Auf und Abs gibt es immer – es wird nie die ganze Saison hindurch super laufen. In Tokio durfte ich dann das Highlight meiner Karriere feiern. Aber ich habe auch beim US Open gute Leistungen erbracht und das Jahr sehr positiv mit dem Billie Jean King Cup abgeschlossen.
Sie waren am Knie verletzt. War die harte Woche des Team-Wettbewerbs ein Risiko?
Ich hatte wirklich vier Wochen lang nicht gespielt, dann nur die Tage vorher wieder trainiert. Es war deshalb auch für mich erstaunlich, was ich in Prag leisten konnte. Mit dem Knie war alles super, ich hatte keine Angst mehr. Aber für meinen Körper war es ein Schock. Nach dem vorherigen Sparmodus spürte ich danach die Müdigkeit extrem. Ich freue mich aber sehr, dass ich letztlich so gut mithelfen konnte.
Ist noch Frust da wegen der finalen Regeltricks der Russinnen?
Der Final war schon sehr bitter. Sie haben sich einer Regel bedient, die für das alte Format aufgestellt wurde – damit hatten wir nicht gerechnet. Wir waren so enttäuscht, dass wir den Riesen-Erfolg, es bis in den Final geschafft zu haben, gar nicht mehr realisiert haben. Aber mit der Zeit kam die Freude zurück. Das war vor allem erst der Anfang, wir sind alle noch nicht am Karriereende. Das nächste Mal schlagen wir die Russinnen – das wird die beste Antwort sein!
Wo haben Sie die Wochen seitdem verbracht?
Nach einem Konditionsblock in Bratislava waren wir im Rahmen der Saisonvorbereitung eine Woche in Stuttgart, wo ja mein Coach Sebastian Sachs trainiert. Nach diesem Abstecher in die Schweiz geht es zurück dorthin. Danach fliege ich mit ihm und meinem Freund Martin nach Dubai, zum Akklimatisieren für Australien.
Weihnachten also diesmal nicht zuhause?
Wir haben uns entschieden, von Dubai direkt weiter zu reisen und somit Weihnachten dort zu verbringen. Vicky Golubic kommt auch dahin, dann machen wir eine Art Schweizer Trainingscamp. Eigentlich wollten wir es so planen, dass auch Jil Teichmann und Steffi Vögele kommen, aber das klappt leider nicht. Jil trainiert in Barcelona und Steffi ist dann an einem Turnier. Ich spiele vor den Australian Open in Adelaide vielleicht noch ein zweites Turnier. Von Dubai aus gibt es wohl wieder diese Charterflüge, die uns zum Jahreswechsel nach Australien bringen.
Hoffentlich dieses Mal ohne Corona-positive Passagiere an Bord…
Allerdings! Aber ich glaube, durch die Impfvorschriften sind die Kontakt-Regeln dieses Jahr etwas anders.
Was halten Sie von den strikten Vorschriften in Melbourne?
Ich finde sie in Ordnung. Es gibt diese Regeln und jeder muss selber entscheiden, ob er ihnen folgen will. Es sieht im Moment so aus, als müssten wir nicht lange in Quarantäne. Aber jetzt, wo es wieder eine neue Virus-Variante gibt, ist es möglich, dass sie alles wieder überdenken und erst sehen wollen, wie die Impfung wirkt. Man weiss also nie…
Sind die Erinnerungen an letztes Jahr schlimm?
Nicht schlimm, aber natürlich auch nicht angenehm. Ich hatte weniger Probleme mit der Quarantäne im Hotel. Das hätte viel schlimmer sein können – auch wenn man die Fenster nicht öffnen konnte und 14 Tage keine Luft rein kam. Aber die grosse Herausforderung kam danach. Viele Leute denken, zwei trainingslose Wochen sind nicht so schlimm, sie sind sich nicht bewusst, wie sehr einen das zurückwerfen kann. Tatsächlich baust du alles ab, was du dir in der Vorsaison an Muskulatur aufgebaut hast. Sogar die Hornhaut an den Händen verschwindet so schnell, dass du beim Spielen dicke Blutblasen bekommst! Nach zwei Wochen Pause muss man einen langsamen Aufbau einplanen. Sicher nicht nach drei Tagen ein Grand Slam spielen.
In vielen Sportarten wirft die Pandemie den Kalender durcheinander. Wie empfinden Sie das auf der WTA-Tour?
Wenn ich in den letzten zwei Jahren etwas gelernt habe, dann dass man nicht mehr mit einem fixen Tenniskalender rechnen darf! Wir müssen es nehmen, wie es ist und damit umgehen können. Kontrollieren können wir ja sowieso nichts und es ist für alle gleich schwierig. Aber im Skisport zum Beispiel brauchst du Schnee, das rechte Wetter, und der Winter ist kurz – das ist noch schwieriger. Im Tennis haben wir mehr Zeit, um Verschiebungen zu verkraften. Ich bin ich gespannt, was die nächste Saison bringt. Ich hoffe, dass sie mindestens so gut laufen wird wie die letzte.
Haben Sie konkrete Ziele?
Ich bin im Ranking etwas abgefallen, da will ich mich wieder weiter oben etablieren, das Ranking-System ist ja jetzt wieder normal. Das bedeutet natürlich auch, dass ich an den grossen Turnieren gut abschneiden sollte. Diese Saison habe ich stets gut gespielt, wenns nicht um Punkte ging (lacht). Aber meine Ziele sind wie immer relativ tief gesteckt. Mein Coach Sebastian Sachs vermittelt mir bei jedem Turnier, dass es nicht meine letzte Chance ist. Er passt in mein System, verbessert mein Denken auf dem Platz. Ich muss die Verbesserung spüren und mich weniger unter Druck setzen. So war es auch in Tokio – den Sieg hatte dort niemand von mir erwartet und er war bisher das Schönste in meiner Karriere. Einen grossen Traum habe ich mir damit erfüllt, das beruhigt und gibt viel Selbstvertrauen. Aber ich habe weitere Träume, auf die freue ich mich.
Auch in ihrem Privatleben? Wann heiraten Sie Martin Hromkovic?
Wer weiss, was die Zukunft bringt, aber noch ist da nichts geplant. Schön ist, dass Martin jetzt nach Abschluss seiner Ausbildung mehr Zeit hat, mit mir unterwegs zu sein. Wir waren fast zehn Monate unterwegs, nur zwischendurch mal zuhause in Bratislava. Dort arbeitet er dann in seinem Gym, wo er Fussballer, Eishockeyspieler sowie andere Athleten und Hobbyspieler als Fitnesstrainer betreut.