Gelassenheit drückt sich bei Belinda Bencic nicht etwa durch Zen-Qualitäten auf dem Platz aus. Nein, hier verwirft sie nach Fehlern oder verlorenen Games immer noch die Arme, blickt weinerlich drein, ist versucht, ihr Racket zu crashen, flucht in Richtung ihrer Begleiter, die ihre Beschimpfungen stoisch entgegennehmen.
Sie kennen Belinda nur zu gut: Sie braucht das. «Ich muss den Frust rauslassen, das gehört zu mir, das macht mich besser», sagt sie entschuldigend. Das Team nimmt es ihr nicht übel. Auch nicht Sebastian Sachs, der ihr neuer Coach ist, stets neben Fitnesstrainer und Freund Martin Hromkovic sitzt und sich mit diesem gut versteht. «Das ist mir wichtig», sagt Belinda. Sachs ersetze ihren Papa Ivan nicht, ergänze ihn nur. Er wolle ihr Spiel nicht verändern, sondern bereichern. «Er gab mir schon viele gute Tipps.»
Die Wandlung beim Service
Besonders ersichtlich sind diese beim Service. War dieser zuvor eher eine Schwäche, ist er seit Tokio eine verlässliche Stärke, die Bencic mitunter auf den Olymp geführt hat. Durch diesen Erfolg sei sie trotz allem gelassener geworden. «Alles, was kommt, ist Zugabe», sagte sie Blick sogar, was für eine 24-jährige Profisportlerin mit vielversprechender Zukunft fast etwas zu genügsam klingt.
Aber sie meint das nicht so. Es ist der langen Zeit geschuldet, die Bencic schon auf der Tour ist. Schon mit 17 Jahren wurde sie als künftige Weltnummer 1 gefeiert. Sieben Jahre sind eine gefühlte Ewigkeit für eine noch immer junge Frau, die aus diversen Gründen noch nicht die Nummer 1 geworden ist.
«Plätze und New Yorker Vibe liegen mir»
Inzwischen ist Belinda um viele Erfahrungen reicher. Und natürlich hat sie noch hohe Ziele. Wie Grand-Slam-Siege – warum nicht gleich hier bei den US Open, wo sie sich stets von der Schokoladenseite gezeigt hat. «Ich weiss genau, warum es mir hier so gut läuft. Ich kenne die Plätze, den New Yorker Vibe und beides liegt mir», sagt sie nach ihrem Sieg über Iga Swiatek (Pol) – und vor ihrem Match gegen die 18-jährige Teenagerin Emma Raducanu (Mittwoch, ca. 18 Uhr).
Die britische Nummer 150 der Welt zeigte einen Traumlauf durchs Tableau. Gab wie Bencic noch keinen Satz ab, inklusive Qualifikation. Aber im Gegensatz zur Schweizerin erlebt sie das Ganze hier zum ersten Mal. Belinda: «Ich fühle, dass ich hier eine Geschichte habe, weiss, wie es sich in der zweiten Woche anfühlt.»
Das kann Raducanu nicht von sich behaupten. So wie Bencic damals mit 17, als sie den ersten von drei Viertelfinals im Big Apple verlor.