Über zwei Wochen lang ist die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai im November spurlos verschwunden. Dies, nachdem sie sexuelle Übergriffe des ehemaligen chinesischen Vizepremiers Zhang Gaoli publik gemacht hatte. Die Spielerinnen-Organisation WTA forderte sofort Aufklärung. Da diese bis heute nicht erfolgt ist, setzt sie ihre Drohung, alle Turniere in China und Hongkong 2022 zu streichen, jetzt um. «Ein zu grosses Risiko für die Spielerinnen», so die Begründung von WTA-Boss Steve Simon.
«Super», findet das Belinda Bencic. «Ich finde es ganz stark von ihm, dass er in diesem Fall eine solche Führung übernimmt», sagt die 24-Jährige zu Blick, «damit setzt er ein richtiges Zeichen.» Auch die Schweizer Olympiasiegerin weiss nicht im Detail, was vorgefallen ist, sie kenne Peng nicht gut, habe nur ein paar Mal gegen sie gespielt. «Aber wenn nur eine Spielerin ein Problem hat, wäre es inakzeptabel, die ganze Tour nach China zu schicken.» Dass es dadurch neben der Pandemie zu noch mehr Anpassungen im Spielkalender kommt, trägt Bencic mit Fassung. «Die Tennissaison ist lang, da gibt es viele Verschiebungsmöglichkeiten.»
Chinesen wehren sich, IOC reagiert zaghaft
Für Steve Simon gibt es vorerst keine Verschiebungen, er legt die Wiederaufnahme der China-Turniere komplett auf Eis. Solange er «ernsthafte Zweifel hegt, dass Peng in Sicherheit und nicht der Zensur und Zwang ausgesetzt ist und nicht frei sprechen darf».
Er könne nicht zulassen, dass mächtige Leute die Stimmen von Frauen unterdrückten und sexuelle Übergriffe unter den Teppich kehrten. «Die WTA wurde auf Grundlage der Gleichberechtigung gegründet, diese würde so einen immensen Rückschlag erleiden.» Er werde alles tun, um seine Athletinnen zu schützen, und die Forderung nach einer vollständigen und transparenten Untersuchung ohne Zensur wiederholen – «unabhängig von finanziellen Folgen».
Die konsequente Haltung, äusserst lukrative Geschäftsbeziehungen mit China zu kappen, findet auch Novak Djokovic «sehr mutig». Solange es nicht genügend Informationen über das Wohlergehen der Spielerin gebe, unterstütze der Serbe den Schritt voll und ganz. Mit weitaus weniger Verständnis reagiert indes die chinesische Regierung: «Einige Leute sollten aufhören, dieses Thema absichtlich und böswillig zu überhöhen», teilt ein Sprecher des Aussenministeriums mit. «Wir sind entschieden dagegen, dass der Sport politisiert wird.»
Um stille Diplomatie bemüht, schreitet das Internationale Olympische Komitee (IOC) entsprechend zaghafter ein. Man teile «die gleichen Sorgen», spreche seine Bedenken aber lieber direkt mit chinesischen Sportorganisationen an, heisst es in einer Mitteilung des IOC. In einem weiteren Video-Call mit Peng Shuai habe man der 35-Jährigen umfassende Unterstützung zugesichert und ein persönliches Gespräch im Januar vereinbart.