Die serbische Sicht: Djokovic hat den grössten Gegner besiegt
Als Junge träumte Novak Djokovic nicht davon, gegen genau diesen oder jenen Rivalen zu gewinnen. Er sagte einfach, dass er «der Beste der Welt» sein wollte. Um das zu erreichen, muss man den härtesten Gegner besiegen: sich selbst.
Und genau das hat Djokovic getan. Er hatte einige gesundheitliche Probleme und hat sie bekämpft. Er hatte Probleme mit dem Service und kämpfte auch dagegen an. Er musste lange pausieren, wurde operiert und konnte danach nicht mehr so aufschlagen wie vorher. Da hat er begonnen, mit einer veränderten Armbewegung aufzuschlagen. Auch diesen Kampf hat er gewonnen.
Djokovic wurde nie so geliebt wie seine grössten Gegenspieler. Aber das ist nicht verwunderlich. Die beiden haben den Planeten schon vor ihm in Ehrfurcht versetzt und die Menschen geben ihre Idole nicht so leicht auf.
Djokovic startete seine Mission unter den Bomben, indem er mit dem Ball gegen eine alte Wand schlug. Ohne Tennis-Gene in Familie oder Nation, ohne Veranlagung zum Erfolg in einem zerrissenen Land. Die Logik besagte, dass er im besten Fall nur Mittelmass sein würde.
Aber er glaubt an das Unmögliche, das ist der Grundstein seiner Existenz. Es geht ihm immer darum, seine eigenen Talente zu erweitern und die eigenen Schwächen zu besiegen.
Denn dann ist es nicht wichtig, wer auf der anderen Seite des Netzes steht. Wenn du deine gesundheitlichen Probleme mit Verzicht besiegst, wenn du deine Tennis-Schwächen mit harter Arbeit besiegst, wenn du das Publikum besiegst, das dich ausgebuht hat – dann ist es nicht wichtig, dass du mehr Siege gegen Federer und Nadal hast als Niederlagen. Nein, das Einzige, was zählt, ist der Glaube.
Novak Djokovic kommt aus einer Nation, in der diese Tugend, das Besiegen der eigenen Schwächen, das grösste Ziel ist.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass er eines Tages, wenn die ganze Welt sagt: «Ja, er war wirklich der Beste», lächeln wird vor Freude. Aber er ist jetzt schon glücklich. Denn seine grössten und auch härtesten Kämpfe, die mit sich selbst, hat er bereits gewonnen.
* Darko Nikolic arbeitet als Tennisreporter für die serbische Tageszeitung «Blic», die wie SonntagsBlick von Ringier herausgegeben wird.
Die spanische Sicht: Nur Nadal schaffte Golden Slam
Eins vorweg: Die «Big Three» sind die besten drei Tennisspieler aller Zeiten. Es ist zwar schwierig, Generationen zu vergleichen, und ich habe die Ära von Rod Laver oder später die Rivalität von Björn Borg und John McEnroe, Jimmy Connors oder Ivan Lendl nicht erlebt. Aber der Mix der Charaktere, der unterschiedliche Stil auf und neben dem Platz und die Dominanz von Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic machen den Unterschied aus.
Einige Gründe, die sich auch in Zahlen widerspiegeln, sprechen aber für Nadal als Spitzenreiter. Er führt mit 20 gewonnenen Grand-Slam-Einzeltiteln und schliesst damit zu Federer auf. Und bedenkt man, dass Tennis nicht nur aus den Major-Events besteht, hat Rafa auch zusammen mit Djokovic die meisten Masters-1000-Titel. Dazu gewann er fünf Davis Cups, während Novak und Roger nur einen haben, und er holte olympisches Gold in Einzel und Doppel. Nadal ist der Einzige, der wie Andre Agassi den Golden Slam geschafft hat.
Weil alle drei immer noch spielen, müssen wir zuerst das Ende ihrer Profikarrieren abwarten, um alles in die Waagschale werfen zu können. Doch Federer wird im August bereits 40 Jahre alt. Es bleiben ihm also weniger Chancen, um weiter zu siegen – besonders nach den Knie-OPs, die ihn zu über einem Jahr Pause zwangen. Nadal wird sich fortan wohl hauptsächlich auf die grossen Turniere konzentrieren und versuchen, seine Karriere zu verlängern.
Auch wenn er kürzlich gegen Djokovic im Halbfinal der French Open verloren hat, wird er der Favorit auf den Pariser Sandplätzen bleiben, solange er dort antritt. Der einzige Zweifel ist, wie sein Körper all die grossen Anstrengungen der letzten Jahre verkraften wird. Weil er auf seinen Körper hört, zog er sich nun auch aus Wimbledon und den Olympischen Spielen in Tokio zurück. Rafa ist auf der Tour, seit er 16 ist. Er hatte immer Probleme mit dem linken Fuss und seinen Knien – diesen Punkt gilt es in naher Zukunft zu berücksichtigen.
* Joan Solsona Magri arbeitet als Tennisreporter für «Marca», die Sport-Tageszeitung mit der höchsten Auflage in Spanien.
Die Schweizer Sicht: Die Strahlkraft von Federer ist einmalig
An der Zahl ihrer Major-Siege werden die Stars im Welttennis gemessen. Mehr als an der Eins, die vor dem Namen im Ranking steht. Nun haben wir an der Spitze ein Top-Trio mit 20, 20 und 19 solcher Grand-Slam-Titel. Der mit 19, Novak Djokovic, hat punkto Alter, körperlicher Verfassung und auch Ehrgeiz die besten Aussichten, die anderen zu übertrumpfen. Aber bis es so weit ist, geht sie weiter, die ewige Diskussion um «The GOAT» – den «Greatest Of All Times».
Für die Schweiz ist und bleibt sowieso Roger Federer der Grösste aller Zeiten. Lange war er es für die ganze Welt, unumstritten. Seit er 2009 in Paris den Karriere-Slam gewann und gleich danach in Wimbledon den Pete-Sampras-Rekord brach. Der Amerikaner war mit 14 Majors bis dato einsame Spitze, vor ihm blättert man in den Geschichtsbüchern zurück bis in die 60er zu Roy Emerson (12 Majors).
Der Rasenkönig galt nicht nur auf seinem Lieblingsbelag als fast unschlagbar und gewann bis 2018 weitere sechs Grand Slams. Wegen seines kreativen und sogar künstlerischen Stils wurde Federer «Maestro» genannt. Einer der vielen Autoren, die über das Tennis-Phänomen schrieben, nannte ihn gar eine «religiöse Erfahrung».
Und er war mit ein Grund, dass da einer emporkam, der es mit ihm aufnehmen konnte: Rafael Nadal. Nicht selten erwähnte der «Torero», dass Federer ihm ein Ansporn sei, selber noch härter zu arbeiten und an seine Grenzen zu gehen. Fortan dominierten Roger und Rafa das Tennis nach Belieben. Und im Windschatten nahm der «Djoker» mit aller Leidenschaft Fahrt auf.
Aber egal ob Djokovic oder Nadal – mit Federers weltweiter Strahlkraft kann die Konkurrenz nicht mithalten, das beweisen seine Sponsorenverträge. Mit seinem schönen Tennis auch nicht – das ist natürlich subjektiv.
Tatsache ist: Roger Federer war der Erste, der das Tennisniveau auf schwindelerregende Höhen anhob. Deshalb ist er auch der Grösste.
* Cécile Klotzbach arbeitet als Tennisreporterin für SonntagsBlick und begleitet die Karriere von Roger Federer seit Jahren.