In einem bemerkenswerten Interview mit der französischen Sport-Bibel «L'Équipe» lässt die charismatische Aryna Sabalenka (25) tief blicken. Sie hatte es bereits als Kind schwer. Trotzdem oder gerade deswegen hat sie es auf dem Tennisplatz allen gezeigt und will das auch weiterhin tun.
Die Belarussin gewann dieses Jahr die Australian Open, stand bei den French Open im Halbfinal und in Wimbledon (3. bis 16. Juli) möchte sie Iga Switek vom Thron stossen. Ein grosses Ziel, dem der Krieg in der Ukraine immer wieder im Weg steht.
«Die Leute verbünden sich gegen mich»
Denn das Politische bestimmt ihren sportlichen Werdegang mit. Letztes Jahr war sie von Wimbledon ausgeschlossen, wie alle russischen Athleten und die aus Belarus, weil beide Nationen als Kriegstreiber in der Ukraine gelten. Sabalenka hat sich daran gewöhnt, dass ihr ukrainische Spielerinnen wie Marta Kostyuk und Elina Svitolina nach dem Spiel den obligaten Händedruck verweigern. Doch es schmerzt sie, das gibt Sabalenka unumwunden zu, wie das ganze Thema Krieg.
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Rückblickend auf 2022 sagt sie: «Ja, der Krieg führte zu weiteren Problemen. Ich wurde ein wenig paranoid: Die Leute verbünden sich gegen mich, weil ich aus Weissrussland komme. Die Leute müssen etwas verstehen: Wir unterstützen keinen Krieg. Was erwarten Sie also von uns? Dass wir ‹no war, no war› rufen? Natürlich unterstützen wir ihn nicht.» Sie habe lange gebraucht, um zu verinnerlichen, dass sie nichts Falsches getan habe «und vor allem, dass ich den Menschen, insbesondere den Ukrainern, nicht das geben kann, was sie sich von mir erhoffen. Wenn wir den Krieg beenden könnten, würden wir ihn beenden.»
«Trainer sagten, ich wäre scheisse»
Inzwischen wirkt Sabalenka wieder gefestigt. Das hat vielleicht auch mit ihrer Kindheit zu tun. In Minsk, wo sie aufgewachsen ist, habe niemand an sie geglaubt. Dass sie Tennisspielerin von Weltformat werden könnte? Unmöglich. «Man sagte mir, ich sei dumm, zu nichts zu gebrauchen. Trainer sagten zu mir: Du bist scheisse.»
Ihr sei aber damals schon egal gewesen, was andere sagen würden. «Ich bin einfach meinen Weg gegangen. Ich kann mir nicht erklären, warum ich nicht auf sie gehört habe. Es muss etwas in mir sein, in meinem Blut, in meiner Persönlichkeit. Ich habe immer für mich selbst gekämpft. Ich war stark genug, um das alles zu verkraften, und es ist verrückt, wenn ich daran zurückdenke.»
Klare Stellungnahme gegen den Krieg
Sabalenka wird auch künftig nicht nur als Tennisspielerin beobachtet werden. Das ist ihr Los als Belarussin. Immer wieder wird sie mit Fragen zu einem öffentlichen Auftritt mit dem ultraautoritären weissrussischen Herrscher Alexander Lukaschenko im Jahr 2020 konfrontiert. Immer wieder wird sie gedrängt, sich politisch klar zu positionieren. Immer wieder wird sie in die Kriegs-Schublade gesteckt.
Bei den French Open wurde ihr das kürzlich zu bunt. Sie verweigerte zwei Pressetermine, weil sie «erschüttert» war, dass die Medien «ihr Worte in den Mund legen wollten». Als sie wieder vor die Mikrofone trat, bezog sie dann so klar Stellung wie nie zuvor: «Ich will nicht, dass mein Land in einen Krieg verwickelt wird. Ich bin gegen diesen Krieg und damit gegen Lukaschenko.»