Es ist ein schöner Wintermorgen, im Februar 1995. Das Schweizer Riesenslalomteam trainiert auf der Bärenpiste in Veysonnaz. Hinter einer Kuppe diskutiert Trainer Fritz Züger mit seinem Schützling Urs Kälin die Linienwahl. Im Funk hört er: «Paul Accola ist gestartet.»
Züger und Kälin stehen etwas abseits der Piste. Aber weil Accola ein Tor verpasst, sehen sie aus den Augenwinkeln plötzlich, wie der Davoser angeflogen kommt. Er versucht, geistesgegenwärtig, noch in der Luft eine «Saltobewegung» einzuleiten, um Züger nicht mit den «Ski am Kopf zu treffen», wie er zu Protokoll gibt.
Kälin kann sich wegducken, aber Züger wird voll erwischt. Mit dem rechten Knie trifft Accola Zügers Brustkorb. Sieben Rippen sind gebrochen, zum Teil mehrfach. Ein Lungenflügel kollabiert, Nieren und Leber sind gequetscht. Züger wird ins Spital nach Sion geflogen, Accola wird mit einer Meniskusverletzung und Verdacht auf Innenbandriss in eine Klinik nach Zürich gebracht. Es wird über sein Karriereende spekuliert.
Übrigens - die SonntagsBlick-Kolumne
«Accola fährt Trainer spitalreif», titelt der Blick. Und Fritz Züger sagt: «Es war mein Fehler. Ich habe Glück gehabt. Ich könnte tot sein.» Nach ihrer Entlassung aus dem Spital fahren Accola und Züger zur Reha nach Feldkirch zu Toni Mathis. Der Physiotherapeut aus Vorarlberg gilt damals als Wunderheiler.
28 Jahre sind seither ins Land gezogen. Und in diesen Tagen treffen sich die beiden erstmals wieder an einem Spitalbett. Es ist es kein spektakulärer Unfall, sondern es ist eine altersbedingte Revisionsarbeit, die das Duo zusammenführt. Züger muss sich in Davos ein künstliches Kniegelenk implantieren lassen. Einer der Ersten, die danach im Spital in Davos auftauchen, ist Accola.
Diskutiert wird dabei der Schreckmoment von 1995 in Veysonnaz. Aber auch der Weltcupauftakt in Sölden ist ein Thema. Dort feiert man an diesem Wochenende das 30-jährige «Gletscherjubiläum». Als es 1993 zur ersten Austragung kommt, ist es Fritz Züger, der den ersten Lauf auf dem Gletscher ausflaggen darf. Die Linienwahl ist nicht ganz einfach. Vater Girardelli flucht, was für einen «Schrott» Züger da ausgesteckt habe. Als seinem Sohn Marc mit Platz vier ein gutes Rennen gelingt, beruhigt er sich.
Züger versucht, einen Kurs für seine Schweizer Athleten zu setzen. Es gelingt nicht. Die Plätze 6 und 10 durch Michael von Grünigen und Steve Locher sind eine Ernüchterung. Accola belegt Platz 20. Und trotzdem wird diese erste Saison von Trainer Züger zum Auftakt in tolle Jahre. Von Grünigen, Locher, Kälin und Accola machen den Riesenslalom zur Schweizer Kultdisziplin.
Danach läuft es lange Jahre nicht mehr so prächtig. Bis einer kommt, der neue Massstäbe setzt. Mit Leitwolf Marco Odermatt stellt die Schweiz derzeit wieder das Riesenslalomteam Nummer 1. Sogar ganz ohne Schreckmomente.