Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Wird der FC Bayern zum Musterknaben?

Ein Österreicher soll bei Bayern München für einen Stil- und Kulturwandel sorgen. Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 30.07.2023 um 19:04 Uhr
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Felix Bingesser ist Blattmacher, Kolumnist und Reporter in der Sportredaktion der Blick-Gruppe.
Foto: Thomas Meier

Bayern München. Stolz, unbeugsam, ein Monument. Und Projektions- und Reibungsfläche für Fans aus aller Welt. Die Säbener Strasse ist das Hollywood im Alpenraum. Unterhaltung garantiert.

Der Baumeister dieser fussballerischen Dampflokomotive ist Uli Hoeness. Der Mann, der einst auf wundersame Weise einen Flugzeugabsturz überlebt hat. Dessen bewegtes Leben tatsächlich Stoff für Hollywood wäre.

Hoeness hat die Bayern zum Weltklub geformt. Zur stolzen bajuwarischen Trutzburg. Mit einem Selbstverständnis, das vor Jahren in den Slogan «Mia san mia» gegossen wird. Ein Motto, das der Klub sogar als geistiges Eigentum hat schützen lassen.

Hoeness. Das ist auch die Abteilung Attacke. Wer seinem FC Bayern zu nahe tritt, den degradiert er zu dem, was aus seiner Fabrik im Sekundentakt vom Band fällt. Zu einer Nürnberger Rostbratwurst. Selbst als Hoeness seine Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung absitzt, wird man den Eindruck nicht los, als führe seine starke Hand durch die Gitterstäbe hindurch den Klub weiter.

Nach Hoeness wird Christian Nerlinger Sportchef. Er soll der neue Hoeness werden. Dann kommt Matthias Sammer. Auch er ein Vulkan und ein Lautsprecher. Ihm folgt Hasan Salihamidzic. Ein Mann von Hoeness-Gnaden. Und es kommt dazu Oliver Kahn. Eine Bayern-Institution, die kräftig zubeissen kann.

So richtig funktionieren will nichts. Und jetzt, nach einem der turbulentesten Jahre der Vereinsgeschichte, wollen sich die Bayern neu erfinden. Die angestrebte Metamorphose hat einen Namen: Christoph Freund.

«Christoph, wer?», fragt man sich in München. Der 46-jährige Österreicher ist der erste «Nicht-Hoeness» im Klub. Er ist ein uneitler, leiser Schaffer ohne bayrischen Stallgeruch. Er hat keinen grossen Namen.

Aber einen beachtlichen Leistungsausweis. Statt mit Worten überzeugt Freund mit fachlicher und sozialer Kompetenz. Er soll für eine neue Bayern-Ära stehen. Nicht nur kaufen. Auch mal ausbilden, lautet das Motto.

Freund hat in Österreich eine bescheidene Spielerkarriere gemacht. Als er 25 Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Er muss den elterlichen Tischlereibetrieb übernehmen, merkt aber schnell, dass ihn der Fussball nicht loslässt. Er verkauft die Firma einem Kumpel.

Und wird 2006 Teammanager bei Red Bull Salzburg. Dort steigt der Vater von zwei Söhnen bald zum Sportkoordinator auf. 2015 wird er Sportdirektor. Mit seinem feinen Gespür für Talente und seiner Kompetenz sorgt er dafür, dass der Verein längst nicht mehr von den Red-Bull-Millionen abhängig ist. Sondern mittlerweile viel Geld verdient. Erling Haaland, Sadio Mané oder Naby Keïta sind nur drei Namen dazu.

In Österreich findet man niemanden, der ein böses Wort über Freund verliert. Es gibt nur Lobeshymnen. Wird der FC Bayern mit dem netten Herrn Freund, dessen Name Programm ist, bald zum braven Musterschüler? Heisst es nach dem angestrebten Kulturwandel bald: Bayern München, dein Freund und Helfer? Vielleicht. Aber man traut dem Braten und der neuen Harmonie noch nicht so richtig.

Denn Hoeness kann im Notfall noch immer mit den Zähnen fletschen.

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