Das Gespräch mit Lara Gut-Behrami (32) verläuft zu Beginn ganz normal. «Es macht Spass, hier zu fahren. Die Piste ist eine der besten weltweit und ich bin zufrieden mit diesem zweiten Platz.» Rund zwei Minuten dauern ihre Ausführungen. Dann spricht sie über das, was in Cortina (It) alle bewegt: die Sturzorgie in der Abfahrt. 12 von 52 Fahrerinnen schaffen es nicht ins Ziel. Eine Woche nach dem Kreuzbandriss von Petra Vlhova (28, Slk) landet auch Mikaela Shiffrin (28, USA) im Netz. Dazu verletzt sich Corinne Suter schwer.
Was läuft falsch im Ski-Zirkus? «Es sind viele Faktoren. Das Problem ist, dass heute alles so hochprofessionell ist. Vor zehn Jahren war nicht alles scheissegal, aber man öffnete weniger Baustellen.» Gut-Behrami nimmt alle in die Pflicht:
Die Skifirmen
«Die Abstimmung muss immer perfekt sein, es ‹verträgt› keine Fehler. Man hat als Athletin immer im Kopf, dass man vielleicht besser noch Ski testen sollte, statt zu regenerieren. Nehmen wir das verrückte Rennen in Jasna vor einigen Tagen. Früher hätte man gedacht: Vergessen, denn diesen speziellen Schnee werden wir nächste Woche nicht mehr haben. Jetzt überlegt man sich, ob man einen neuen Ski bauen muss.»
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Verbände und Trainer
«Am Start kommt alle zehn Minuten ein neuer Funkspruch. Jeder Meter wird genau analysiert. Irgendwann fehlt dir der Plan, was du tun sollst. Und wenn du nicht ruhig an den Start gehst, landest du irgendwann im Netz. Dazu kommt: Am Abend muss man die Fahrt am Video drei Stunden lang analysieren, weil eine halbe nicht genug ist. Man sucht nur Probleme.»
Fahrerinnen
«Wenn man einmal zwei Tage freihat, geht man trotzdem irgendwo trainieren oder testet Ski und vernachlässigt so die Erholung. Die Unsicherheit ist immer da, dass man zu wenig macht. Irgendwann bist du am Start schon platt.»
Sponsoren
«Vor zehn Jahren haben wir nur übers Skifahren gesprochen. Jetzt musst du ständig einen Insta-Post machen, für drei Sponsoren zur Verfügung stehen und dazwischen mit einigen noch Ski fahren gehen.»
FIS und Weltcup-Veranstalter
«Wir haben 45 Rennen im Kalender. Es sind mehr als früher, klar. Entscheidend ist aber die Zeit, die wir zur Erholung haben – sie wird immer geringer. Wir müssen stundenlang Interviews geben, an die Startnummernverlosung am Abend gehen und andere Dinge tun.»
Und das Fazit? Man merkt: Der im Vergleich zu ihren Anfängen zusätzliche Stress beschäftigt Gut-Behrami. Gleichzeitig nimmt sie sich und ihre Arbeitskolleginnen an der Nase: «Wir verlangen auch, dass alles hochprofessionell ist.» Ihr Fazit: «Es sei schwierig, dieses Rad zu stoppen.»