Als Erstes gilt es eine wichtige Frage zu klären: Wie spricht man ihren Namen eigentlich richtig aus, Dzenifera Germane (20)? Die Lettin muss lachen. «Jennifer Gärmane», sagt sie zu Blick. Und ergänzt sofort: «Alle nennen mich Jenny – das ist einfacher.» Sicher ist: Ihren Namen muss man sich so oder so merken, schliesslich ist Germane nichts weniger als das Ski-Phänomen aus Lettland.
Germane stammt aus dem kleinen baltischen Staat mit nur 1,85 Millionen Einwohnern. Die höchste Erhebung des Landes ist der Gaizinkalns (311,5 Meter über Meer) – eher ein Hügel als ein Berg. Umso erstaunlicher ist es, wie Germane schon mit 20 Jahren fährt. Ihre Slalom-Resultate in diesem Winter: 22, 12, 8, 8. Bei insgesamt erst fünf Weltcuprennen ist das eine bärenstarke Bilanz, die nicht einmal Ski-Ass Mikaela Shiffrin (28, USA) zu Beginn ihrer Karriere vorweisen konnte.
«Mein Neujahrsvorsatz war, es in diesem Winter unter die Top 10 zu schaffen. Dass es so gut klappt, überrascht auch mich.» Mit ihren Resultaten ist Germane die erfolgreichste Skifahrerin in der Geschichte Lettlands – auch kein Mann erreichte mehr. Entsprechend wird sie bereits als Heldin angesehen.
Als Kind sang sie während den Rennen
Auch Germanes Mutter Ulla fuhr einst selbst Skirennen – für die Sowjetunion. «Sie wollte nicht, dass mein Bruder und ich Skirennfahrer werden. Aber mein Vater brachte es uns bei. Und nun ist daraus mehr geworden», erzählt sie. Als Germane acht Jahre alt war, zog die Familie nach Österreich. «Ich fuhr auch Kinderrennen in der Schweiz, zum Beispiel in Samnaun. Man hat mir erzählt, dass ich während der Wettkämpfe oft gesungen habe – ich genoss das Skifahren also von Anfang an.»
Germane überzeugt mit ruhigem Fahrstil. Ihr Oberkörper bleibt stets stabil – sie wirkt dadurch auf den ersten Blick nicht besonders schnell. Doch das täuscht. «Es macht mich stolz, Lettland zu repräsentieren. Vor allem aber finde ich es schön, dass ich meine Eltern glücklich machen kann. Sie haben schliesslich viel für mich geopfert.» Gut möglich, dass sie ihnen weiterhin viel Freude bereiten wird.