Gilles Roulin befindet sich mitten in der stressigsten Woche seines Lebens. Dem Zürcher Oberländer bleibt nach den Trainings auf der längsten Abfahrt der Welt kaum Zeit zum Durchschnaufen, denn am Sonntag steht die mündliche Abschlussprüfung für sein Jura-Fernstudium auf dem Programm.
Der 28-Jährige legt aber grossen Wert auf die Feststellung, dass er den Sport in diesen Tagen über seine berufliche Zukunft stellt. «Für das Laubernhornrennen mache ich alles. Für die Prüfung mache ich einfach das, was meine Leistung für den Wettkampf nicht beeinträchtigt.»
Büffeln, trainieren, büffeln, trainieren
Roulin beschreibt einen Tagesablauf in dieser ganz besonderen Lauberhornwoche: «Wenn das Training wie am Dienstag erst auf 13 Uhr angesetzt ist, büffle ich bereits am Vormittag eineinhalb Stunden für die Prüfung. Wenn ich nach dem Training zurück ins Hotel komme, setze ich mich erneut eineinhalb Stunden vor den Computer. Danach absolviere ich während einer Stunde mein Konditionstraining. Anschliessend bleibt bis zum Abendessen noch einmal Zeit für die Prüfungsvorbereitung.»
Dass er mit dieser Doppel-Belastung meisterhaft umgehen kann, hat Roulin in der Altjahreswoche in Bormio auf der wohl härtesten Abfahrt des Winters bewiesen. Mit der Startnummer 35 klassierte er sich auf der «Stelvio» auf dem achten Rang. Damit hat der Mann aus Grüningen, der für den Skiclub Lenzerheide startet, auch in der Startliste den Sprung in die Top 30 geschafft. «Und in Wengen ist eine vordere Startnummer besonders wichtig», betont Roulin.
Auch auf weicher Unterlage schnell?
Etwas bereitet ihm aber Sorgen: «In Bormio habe ich die Bestätigung erhalten, dass ich auch auf einer extrem harten Unterlage richtig schnell sein kann. Bei weichen Verhältnissen ist das Erfolgserlebnis bis jetzt aber ausgeblieben, und in Wengen ist es abschnittsweise sehr weich. Aber vielleicht ändern sich die Bedingungen ja bis am Samstag.»
Es könnte aber auch sein, dass der Slalom wegen der Wetterprognosen auf den Samstag vorverlegt und die Abfahrt erst am Sonntag gestartet wird. Welche Konsequenzen hätte das für Roulins Jura-Abschlussprüfung? «In diesem Fall könnte ich auch die Prüfung verschieben. Ich würde dann am Samstag online die Fragen des Professors zum Thema Nachlass-Planung so gut wie möglich beantworten.»