Das Podest
Gold: Marco Odermatt (Sz) 1:47,05
Silber: Aleksander Aamodt Kilde (No) +0,48
Bronze: Cameron Alexander (Ka) +0,89
Die Siegesfahrt
Was! Für! Ein! Ritt! Nach dem Super-G musste Marco Odermatt noch mit leeren Händen von dannen ziehen. Und was musste sich der Nidwaldner alles anhören: Er habe zu wenig riskiert, sei gefahren, um nicht zu verlieren, analysierte etwa Blick-Experte Bernhard Russi. Diesen Vorwurf muss sich Odermatt am Sonntag nicht gefallen lassen. Im Gegenteil! Als ob er mit der Wut im Bauch aus dem Starthaus gegangen wäre, prescht er die «Éclipse»-Piste hinunter.
Seine überlegene Technik spielt er voll aus, fährt den Kurs enger als alle vor ihm. Eine bärenstarke Fahrt, ein Höllenritt, er dominiert die Konkurrenz nach allen Regeln der Kunst. Im Ziel die Belohnung für diese Fahrt wie von einem anderen Planeten: Die Führung, mit über einer Sekunde Vorsprung! Er wird sie nicht mehr hergeben, einzig sein Rivale Aleksander Aamodt Kilde bleibt am Ende innerhalb einer halben Sekunde. Odermatt ist Weltmeister!
Das Rennen
Der Italiener Florian Schieder setzt mit Startnummer 1 gleich eine erste Duftmarke, die nachfolgenden Fahrer scheitern zunächst. Den ersten richtigen Test liefern die Österreicher: Erst greift Otmar Striedinger die Bestzeit des 27-jährigen Südtirolers an, scheidet mit bester Zwischenzeit aber aus.
Dann folgt mit Vincent Kriechmayr der erste Favorit. Der Doppelweltmeister von 2021 liegt vorne, nach einem Verschneider im Mittelteil fällt auch er zurück. Daniel Hemetsberger folgt unmittelbar nach ihm, auch bei ihm sieht es gut aus, auch er gerät aber aus der Balance – auch er scheitert an Schieders Zeit.
Bahnt sich da nach Jasmine Flurys WM-Coup vom Samstag etwa die nächste Überraschung mit früher Startnummer an? Das dann doch nicht. Odermatt übertrumpft den Italiener, James Crawford zieht ebenfalls vorbei. Kilde zeigt eine starke Fahrt und brettert mit Startnummer 15 noch aufs Podest, der Kanadier Cameron Alexander tut es ihm später gleich – Bronze, zweite Speed-Medaille für Kanada nach Crawford-Gold im Super-G. Schieder verpasst den Sprung aufs Treppchen also, genauso wie Marco Schwarz.
Der Top-Techniker (16 Technik-Podestplätze im Weltcup, 2 Slalom-Siege) aus Österreich, der erst seine zweite Abfahrt auf Weltklasse-Level überhaupt bestreitet (davor ein Weltcup-Start 2023 in Wengen, Platz 6), wird mit vier Hundertsteln Rückstand auf Alexander Vierter. Zittern muss Odermatt noch einmal kurz, als ihm der Franzose Maxence Muzaton mit Startnummer 24 bis zur vierten Zwischenzeit unangenehm auf die Pelle rückt – am Ende kann auch der 32-jährige Routinier nichts am Triumph des Schweizer Ski-Wunderkindes ändern. Er schiebt sich knapp vor Schieder auf Platz 6.
In Courchevel und Méribel findet das Ski-Highlight des Winters statt. Hier findest du alles, was du über die Ski-WM 2023 wissen musst.
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Die weiteren Schweizer
12. Niels Hintermann +1,23: Der Ferrari-Fan ist ein Tempobolzer, dem eine Piste wie die WM-Abfahrt eigentlich liegen müsste. Und tatsächlich: Hintermann lässt sich unterwegs zweimal Spitzen-Tempi notieren. Aber weil er im oberen Teil wie schon in den Trainings zu viel Zeit verliert, reicht es nicht aufs Podest. 34 Hundertstel fehlen ihm zur Medaille.
12. Justin Murisier +1,23: Der Romand zeigt eine couragierte Fahrt, liegt lange in Schlagdistanz zum Podest. Dann macht er kurz vor dem Ende einen Fehler, der ihn die Ideallinie kostet und fällt aus der Entscheidung um die Medaillen. Guter Auftritt.
18. Alexis Monney +1,75: Der Markenkollege von Odermatt hat sich im Training gegen die interne Konkurrenz durchgesetzt. Der Junioren-Weltmeister kann in der WM-Abfahrt der Grossen erste Erfahrungen sammeln, ein Ausrufezeichen kann er im Gegensatz zu den Abfahrten in Wengen (11.) und Kitzbühel (10.) im Januar indes nicht setzen.
Die Stimmen (gegenüber SRF)
Marco Odermatt, nach 16 Fahrern: «Hatte noch nie solche Emotionen wie jetzt. Mir sind noch nie Tränen gekommen in einem Interview. Es hat einfach super geklappt, der Ski hat hervorragend gepasst. Ich zittere fast ein wenig.»
Marco Odermatt nach dem Rennen: «Schlaue Worte finde ich nicht. Es ist unglaublich, dass es so funktioniert hat. So ein zittriges Warten als Kilde gefahren ist, habe ich noch nie erlebt. Es ist ‹huere geil›. Solche Emotionen sind einmalig, grosses Dankeschön und Gratulation an meinen Service-Mann, der hat einen Top-Job gemacht.»
Aleksander Aamodt Kilde: «Ich habe es heute nochmal probiert (nach dem zweiten Platz im Super-G, Anm. d. Red).» Nach dieser Aussage setzt Kilde kurz aus: «Marco Odermatt. Was für ein Skifahrer, unglaublich, was er für einen Lauf gezeigt hat. Ich weiss, dass ich ihn schlagen kann. Aber das heute war zu gut von ihm.»
Titelverteidiger Vincent Kriechmayr (Rang 11): «Gewaltige Leistung von Odermatt, herzliche Gratulation. Im Gegensatz zu meiner Siegesfahrt an der WM 2021 war der Schnee heute in Frankreich anders. Aber das macht nix, so kann es ab und an gehen. Wichtig ist: Heute hat der Beste gewonnen.»
Weitere Stimmen zur WM-Abfahrt gibts hier.
Das gab zu reden
Die Galerie der Abfahrts-Weltmeister, die zuvor im Weltcup in der Königsdisziplin noch nie gewonnen haben, wird mit Odermatt um ein weiteres Mitglied ergänzt. Bernhard Russi gelang das Kunststück 1970. David Zwilling (Ö) 1974, Hansjörg Tauscher (De) 1989, der heutige Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann (Sz) 1992, Michael Walchhofer (Ö) 2003 und John Kucera (Ka) 2009 taten es ihm gleich. Und nun also Odermatt, der zwar in Super-G und im Riesenslalom bereits insgesamt 19 Weltcupsiege feiern konnte, in der Abfahrt bisher aber nie zuoberst auf dem Podest stand.
Die Bedingungen
Eine Überraschung ist es für die Athleten nicht, eine Herausforderung aber schon: Zwar scheint über Courchevel die Sonne, der Himmel ist strahlend blau. Doch ein grosser Teil der «Éclipse»-Piste liegt im Schatten. Gerade für technisch starke und eher leichte Fahrer wie Marco Odermatt sehr schwierig. Eigentlich.
So gehts weiter
Am Montag ist Ruhetag, bevor am Dienstag der Team-Event ansteht. Am Mittwoch folgen die Parallel-Rennen, ehe von Donnerstag bis Sonntag Riesenslalom und Slalom bei Frauen und Männern folgen.