Es ist dunkel, kalt, und die Sonne scheint nur von 9 bis 15 Uhr. Besonders einladend ist das Wetter in Levi (Fi) derzeit nicht. Kein Problem ist das für Aline Danioth (26). Im Gegenteil. Die Slalom-Spezialistin schätzt ihren Ski-Alltag wie nie zuvor. «Ich bin so glücklich, zurück zu sein. Durch meine vielen Verletzungen habe ich gemerkt, dass auch ein normales Training nicht selbstverständlich ist.»
Danioth musste zuletzt arg unten durch. Doch was heisst zuletzt? Seit ihrem Weltcupdebüt mit 17 Jahren erlebte die Andermatterin mehrere brutale Rückschläge. Siebenmal liess sie sich an den Knien operieren, viermal wurde ein kaputtes Kreuzband geflickt. Zuletzt stellte sie sich die grundlegende Frage, ob der Spitzensport noch was für sie sei. «Ich will schliesslich auch mit 40 noch klettern und freeriden», wie sie sagt.
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Die gute Nachricht: Derzeit steht einer schönen Ski-Zukunft nichts im Weg. «Rein körperlich fühle ich mich so stark wie nie. Ich habe keinerlei Schmerzen auf den Ski und bin im Kopf völlig frei», erzählt die WM-Sechste von Méribel (Fr) 2023. In Levi wird sie am Samstag nach 657 Tagen ihr Weltcup-Comeback feiern.
«Gibt auch andere Dinge auf der Welt»
Danioth hat die letzten Jahre, in denen sie nicht Skifahren konnte, genutzt. Sie hat ihren Horizont erweitert – zum Beispiel auf Reisen oder mit einer Pilates-Ausbildung.
«Vergangenes Jahr war ich in Kalifornien unterwegs. Da habe ich gemerkt: Ich muss nicht in den Skisport zurückkommen, um glücklich zu sein. Ich muss nicht dies und jenes erreichen. Ich muss niemandem etwas beweisen. Es gibt auch andere Dinge auf der Welt.»
Auf die Frage, was sie heute tun würde, hätte es mit dem Comeback nicht geklappt, sagt sie: «Ich wäre für ein Jahr in Kalifornien, würde als Personal Trainer arbeiten und wäre glücklich.»
Sie dachte früher, sie müsse es allen beweisen
Die Realität ist anders, aber genauso schön: Levi statt Kalifornien, Kälte statt Wärme, Skistöcke statt Hanteln. Danioth hat dafür einen langen Weg in Kauf genommen. «Nach meiner Rückkehr aus den USA stand die grosse Operation an. Ich ging fit ins Spital rein und kam mit Krücken raus.» Sie habe darauf ihren Kondi-Coach Lars Habermacher angerufen und ihm ihre Zweifel anvertraut: «Diesmal weiss ich nicht, ob ich es wieder schaffe.»
Danioth schaffte es. Erneut. Vielleicht auch deshalb, weil sie nicht mehr das Gefühl hatte, es zu müssen. «Früher war ich ein Talent, das bei den Juniorinnen alles gewann. Danach dachte ich, ich müsste mich immer weiter beweisen. Aber heute weiss ich, dass ich das alles nur für mich mache. Alles, was noch kommt, ist für mich ein Bonus.»