Der grosse Abfahrts-Altmeister Franz Heinzer (61) ist auch für sein geniales Auge bei der Sichtung von Ski-Talenten bekannt. Im Fall des Zugers Lenz Hächler hat sich der Weltmeister von 1991 bei der ersten Begegnung vor zwei Jahren jedoch täuschen lassen.
«Wegen seiner Kleidung und der Frisur hatte ich anfänglich das Gefühl, dass dieser Bursche zu lässig für das knallharte Ski-Geschäft ist. Doch Lenz hat mich ein paar Minuten später Lügen gestraft, als wir am Flughafen Zürich das Material für die Junioren-WM in Panorama verladen haben.» Kein anderer habe so fleissig angepackt wie er. «Und als ich ihn in Kanada erstmals auf den Ski gesehen habe, war ich komplett beeindruckt.»
Heinzer, der seit 2008 als Speed-Cheftrainer der Schweizer Europacup-Mannschaft tätig ist, bekommt auch jetzt glänzende Augen, wenn er an diesen Moment zurückdenkt. «In Panorama gibt es einen sehr schwierigen Riesenslalom-Hang, wo Lenz mit sackstarken Carving-Schwüngen hinunter gestochen ist. Da war mir klar, dass er die besten Voraussetzungen für diesen Sport mitbringt.»
Die erstaunliche Wandlung
Hächlers Resultate aus dem letzten Winter untermauern Heinzers These: Bei der Junioren-WM in St. Anton sicherte sich das Allrounder-Talent die Silbermedaille im Super-G, bei den Schweizer Meisterschaften gewann er hinter Superstar Marco Odermatt und Thomas Tumler Bronze im Riesenslalom und Gold im Slalom. Spätestens seit diesem Tag wird 20-Jährige aus Oberwil ZG von diversen Szene-Kennern mit dem grossen Odermatt verglichen – auch von Marcos Schwester Alina Odermatt (23). «Lenz ist wie Marco ein sehr sozialer Mensch und als Sportler enorm ehrgeizig und professionell. Auch bezüglich des Körperbaus gibt es zwischen den beiden grosse Ähnlichkeiten.»
Genau wie Odermatt musste der Sprössling einer Österreicherin und eines Zentralschweizers bei den ersten internationalen Wettkämpfen unten durch, weil er zu feingliedrig war. «In meiner ersten FIS-Saison vor vier Jahren war ich von der Statur her noch ein Büebli», erzählt Lenz. Doch dank eines Wachstumsschubes und einer mustergültigen Trainings-Einstellung hat sich das «Büebli» zu einem starken Athleten entwickelt. Ein klassisches Vorbild hatte er zwar nie. «Ich war nie Fan von einem bestimmten Rennfahrer. Aber natürlich habe ich immer gerne Skirennen geschaut. Und Felix Neureuther fand ich ziemlich cool.»
Grosser Vorteil im kleinen Nordica-Team
Und wie Neureuther in seiner sportlichen Blütezeit gehört jetzt auch Hächler zu den wenigen Alpin-Profis, die Nordica-Ski fahren. «Für mich als jungen Rennfahrer ist es ein Vorteil, dass nicht allzu viele Weltcup-Athleten dieses Material benutzen. Bei einem Ausrüster wie Head wäre ich eine unbedeutende Nummer, bei Nordica kann ich einigen Einfluss auf die Entwicklung des Materials nehmen.» Nur einmal hat die Kombination Hächler-Nordica nicht funktioniert. Jugendtrainer Christian Bechthold, der Lenz bereits mit 10. Jahren zum italienischen Ski-Hersteller gebracht hat, wird diese einmalige Panne nie vergessen: «Lenz war meines Wissens 12, als er im Startgelände des Migros-Grand-Prix irrtümlicherweise die Nordica-Ski eines Kollegen anschnallte. Deshalb fiel er bei der Startauslösung aus der Bindung.»
Auch der letzte Sonntag ist für Hächler nicht wunschgemäss verlaufen. Nachdem er sich teamintern den letzten Startplatz für den Riesenslalom in Sölden gesichert hat, fieberte Lenz mit der Nummer 64 seinem Weltcup-Debüt entgegen. Doch daraus wurde nichts, weil das Rennen wegen immer heftigeren Windböen nach 47 Athleten abgebrochen werden musste. Die Experten sind sich aber einig, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieser Lenz Hächler in der alpinen Köngisklasse durchstarten wird.