Urs Kryenbühl stammt wie Wendy Holdener aus Unteriberg im Kanton Schwyz. Aber weil sein Skiclub Drusberg in den 70iger Jahren vom Innerschweizer- in den Zürcher Verband wechselte, ist der «Ürsel» mit zehn Jahren an einem JO-Rennen erstmals gegen den Bülacher Niels Hintermann angetreten. «Wenn ich damals bei den JO-Rennen Niels sah, habe ich zu meinen Kollegen gesagt: Schaut her, da kommt wieder der schnelle Slowene», erinnert sich Kryenbühl.
Tatsächlich ist die «Zürischnurre» Hintermann in seiner Kindheit mit einer slowenischen Lizenz und einem slowenischen Renndress an den Start gegangen. «Weil meine Mutter aus Slowenien stammt, sind mein Bruder Sven und ich auch ein paar Jahre für ihr Land gefahren. Aber irgendwann haben wir gemerkt, dass wir dort vom Verband nicht gut genug unterstützt werden. Deshalb habe ich mich vor meinem letzten JO-Jahr für den Schweizer Weg entschieden.»
Und auf diesem Weg ist Hintermann genau wie Kryenbühl im Regionalen Leistungszentrum Hoch Ybrig früh Willi Dettling, dem Vater von Ex-Weltcup-Fahrerin Andrea (3. beim Super-G in Cortina 2009), begegnet.
«Vor Willi hatten wir richtig Schiss»
«Vor Willi hatten wir damals richtig Schiss, weil er ein richtiger Schleifer war», gesteht Hintermann. «Einmal hat er uns in einem Camp im Südtiroler Schnalstal um zwei Uhr Morgens für ein Straftraining höchst unsanft aus dem Tiefschlaf geholt.» Im Gegensatz zu Hintermann kann sich Kryenbühl noch an den Grund für Dettlings Strafe erinnern: «Wir waren zu viert auf dem Zimmer, drei von uns haben die Nachtruhe nicht eingeladen.» Nun meldet sich der ehemalige Nationalliga-Ringer Dettling zu Wort: «Und deshalb habe ich euch für ein ordentliches Einlaufen nach draussen geschickt. Danach habe ich euch noch 45 Liegestützen auf dem Gang verordnet. Nach dieser nächtlichen Einheit wart ihr derart müde, dass keiner mehr die Nachtruhe gestört hat.»
Hintermann ist bis heute davon überzeugt, dass er von «Willi Beinhart» zu Unrecht zum nächtlichen Straftraining verdonnert wurde: «Im Gegensatz zu einigen anderen Kollegen habe ich damals schon vor der vereinbarten Nachtruhe geschlafen.» Dettling hat dafür nur ein müdes Lächeln übrigen: «Niels, das kann schon sein. Aber ich habe dir schon damals gesagt, dass dich solche Aktionen noch stärker machen.»
Dettling ist jetzt wieder ihr Coach
Wie stark er jetzt ist, hat er am letzten Sonntag bei der Abfahrt in Val-d’Isère gezeigt, wo er bis zur letzten Zwischenzeit klar in Führung lag. Nur weil der Mann mit dem Übernamen «Cinghiale» (Italienisch für Wildsau) kurz vor dem Ziel eine Welle übersah, verpasste der Triumphator der Lauberhorn-Kombination 2017 seinen zweiten Weltcupsieg. Dafür durfte sich Kryenbühl als Dritter über seinen zweiten Podestplatz in seiner Weltcup-Karriere freuen.
Übrigens: Kryenbühls und Hintermanns Jugend-Coach Dettling ist seit letztem Frühling Abfahrts-Co-Trainer in der Weltcup-Mannschaft und durfte dank Kryenbühel gleich bei seinem ersten Einsatz einen Podestplatz bejubeln. Es spricht einiges dafür, dass dieses Trio auch dieses Wochenende in Val Gardena sehr viel Freude haben wird.