Im heimeligen Einfamilienhaus im Alchenstorfer Grubacher geht es tierisch zu und her. Hier ist Remo Käser als Sohn von Schwingerkönig Adi (49), umgeben von Reptilien und exotischen Fischen, gross geworden. Im Garten bewacht ein aus Beton angefertigtes Krokodil den Teich, in dem sich vier prächtige Koi-Karpfen vergnügen. Viel Zeit haben die Käsers zuletzt in den Bau des Schildkröten-Geheges investiert.
«Remo war fünf Jahre alt, als er erstmals den Wunsch von einer eigenen Schildkröte geäussert hat», erinnert sich seine Mutter Elisabeth. Der kleine Remo durfte kurz darauf in einem Tierheim zwei Schildkröten aussuchen. Er hat sie Leonardo und Donatello getauft. «Leonardo ist wegen seiner Grösse der Anführer. Und Donatello ist der Don Juan unter den Schildkröten. Vor ihm ist keine Frau sicher», schmunzelt Remo.
Der 24-Jährige hat sich mittlerweile einen ähnlich dicken Panzer angelegt wie seine geliebten Vierbeiner. Nach seinem steilen Aufstieg musste der Emmentaler viele Rückschläge gepaart mit beissender Kritik einstecken.
«Das würde ich nicht mehr so machen»
Aber der Reihe nach. Remo ist ein 15-jähriger Primarschüler, als er 2012 am Emmentalischen in Bigental seinen ersten Kranz gewinnt. Und als er vier Jahre später beim Eidgenössischen grandioser Dritter wird, sind sich die Experten einig: Dieser Bursche wird den Schwingsport in den nächsten Jahren gemeinsam mit Armon Orlik und Samuel Giger dominieren. Aber während der Bündner und der Thurgauer in der Zwischenzeit viele grosse Berg- und Teilverbandsfeste gewonnen haben, triumphierte Käser bis anhin «nur» bei vier Gau-Verbandsfesten sowie am Südwestschweizer.
Kritiker führen das darauf zurück, dass der gelernte Spengler nach Estavayer zu viel Zeit mit Sponsoren-Terminen und Social-Media-Aktionen «vergeuden» würde. Früher haben ihm solche Behauptungen wehgetan, mittlerweile prallen sie ohne grosse Wirkung an ihm ab. «Ich habe nicht mehr Sponsoren als andere Spitzenschwinger», betont er. «Aber mir ist es wichtig, dass ich meinen Partnern eine ordentliche Gegenleistung für ihr Geld zurückgeben kann. Darum bin ich eben unter anderem in den sozialen Medien aktiv. Das Training kommt deshalb aber ganz sicher nicht zu kurz.»
Im selben Atemzug gesteht Käser aber ein, dass er eine «Jugendsünde» heute so nicht mehr machen würde. «2017 bin ich am Abend vor dem Luzerner Kantonalen in der SRF-Tanzshow ‹Darf ich bitten?› aufgetreten. Ich würde zwar auch heute noch in einer Tanz-Veranstaltung teilnehmen, aber sicher nicht mehr so kurz vor einem Wettkampf.» Im Endeffekt waren es aber trotzdem nicht die Nachwehen dieser TV-Show, welche dazu geführt haben, dass der 45-fache Kranzgewinner in seiner sportlichen Entwicklung stagnierte.
Im Frühsommer 2019 erleidet Käser bei seinem Gastauftritt am Nordostschweizerischen Teilverbandsfest in Hallau einen Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule. Sein Alchenstorfer Nachbar und langjähriger Trainingskollege Matthias Sempach musste wegen einer ähnlichen Verletzung seine glorreiche Karriere beenden. Käser ist mit diesem Handicap bei Eidgenössischen in Zug trotzdem an den Start gegangen, musste den Wettkampf aber nach vier Gängen abbrechen. «Weil die Bandscheibe direkt auf einen Nerv gedrückt hat, hatte ich im linken Arm nicht mehr gleich viel Kraft wie im rechten.»
Darum hat die Corona-Pause Käser gutgetan
Deshalb war es für Käser sehr wahrscheinlich sogar von Vorteil, dass die letzte Saison wegen Corona abgesagt wurde. So konnte er seine Verletzung in aller Ruhe auskurieren. «Seitdem bin ich wieder komplett schmerzfrei und habe den Umfang meines Krafttrainings erhöht. Ich habe die wettkampffreie Zeit aber auch genutzt, um mich beruflich weiterzubilden. Ich absolviere derzeit eine Ausbildung zum Agro-Kaufmann HF und arbeite bereits jetzt in der Marketing-Abteilung der Firma Kunz Kunath in Burgdorf.»
Käser hat zudem Pläne für den Haus-Umbau seiner Grosseltern erstellt. Doch wann wird er an einem Schwingfest beweisen können, dass er dank den intensiven Einheiten im Kraftraum so stark ist wie nie zuvor? «Ich glaube nicht, dass wir in diesem Sommer viele Wettkämpfe absolvieren werden. Aber ich glaube daran, dass wir im September zumindest den Kilchberger durchführen können. Und darauf bin ich richtig giggerig!»