Lange haben die Spitzenschwinger die Faust im Sack geballt. Doch jetzt machen immer mehr «Böse» ihrem Ärger über das Corona-Management des Schwingerverbands in der Öffentlichkeit Luft. So wie Kilian Wenger (31). Der Schwingerkönig von 2010 prangert die unrühmliche Rolle der ESV-Spitze in dieser Pandemie-Zeit an: «Wir hatten kürzlich ein Online-Zoom-Meeting, an dem die meisten Spitzenschwinger teilnahmen. Dabei kamen einige sehr gute Vorschläge heraus. Doch statt auf uns Aktive zu hören, legt man beim ESV offenbar mehr Wert auf die Meinung von Technischen Leitern oder Präsidenten.»
Und genau deshalb dürfte es wohl noch lange dauern, bis Wenger, Stucki und Co. wieder Sägemehl-Staub aufwirbeln dürfen. Aber der Reihe nach.
ESV: Lieber keinen statt 120 Schwinger
Stefan Strebel, Technischer Leiter beim ESV, beantragte im Februar, dass 296 Eidgenössische-, Teilverbands- und Berg-Kranzschwinger sowie 300 Nachwuchs-Hoffnungen (U16 bis U18) den Status von Spitzensportlern erhalten, um wieder das Körperkontakt-Training aufnehmen zu können. Mit diesen Athleten sollte es zwischen Mai und Juli in den zwei Eishallen-Bubbles von Huttwil BE und Winterthur ZH zu je sechs Wettkämpfen kommen.
Das Bundesamt für Sport wollte in einem ersten Öffnungsschritt aber maximal 120 Schwinger wieder ins Sägemehl schicken. Strebel hätte damit leben können. Seine Kollegen vom ESV-Zentralvorstand sagten aber Nein. Ihre Parole: Entweder alle oder keiner.
Doch seit den jüngsten Corona-Lockerungen dürfen wie in allen Sportarten zumindest die 16- bis 20-Jährigen wieder «churzen», «brienzern» oder «schlunggen». Wenger: «Grundsätzlich mag ich es ja den Jungen gönnen, dass sie wieder zusammen greifen dürfen. Aber wenn der ESV sagt, einer oder keiner, ist es ein grosser Widerspruch, dass ein 20-Jähriger wieder schwingen darf, ein 25-Jähriger aber nicht.»
Wenger selber war erst 20, als er den Thron eroberte. Nöldi Forrer (42) zählte 22 Lenze, als er 2001 König wurde. In einem Punkt teilt Rekord-Kranzgewinner (147) Forrer die Meinung von Wenger: «Ich glaube nicht, dass das Virus einen Unterschied zwischen einem 20- und einem 30-Jährigen macht.»
Sempach zeigt vollstes Verständnis
Matthias Sempach hat 2018 aufgehört. Der Schwingerkönig von 2013 kann aber den Ärger von Wenger und Co. gut nachvollziehen: «Nehmen wir das Beispiel Joel Wicki, der sein ganzes Leben auf diesen Sport ausrichtet. Für ihn muss diese Phase furchtbar schlimm sein. Deshalb würde ich jetzt alles daran setzen, dass zumindest die 120 besten Schwinger wieder trainieren und Wettkämpfe bestreiten dürfen.»
Genau das fordert Wenger: «Ich erwarte, dass der ESV nun den zweiten Öffnungsschritt einleitet, damit auch die Spitzenschwinger das Sägemehltraining so schnell wie möglich aufnehmen können.»