Es sind 589 Tage, seit der grosse Brüning-Triumphator Pirmin Reichmuth seinen letzten Ernstkampf bestritten hat. Damals sicherte sich der 198 cm lange Vorzeige-Athlet aus Cham am Eidgenössischen in Zug mit einem Sieg gegen Schwingerkönig Kilian Wenger den 3. Rang.
Danach wird er wie alle anderen «Bösen» von Corona zurückgebunden. Weil selbst die Spitzen-Schwinger auf dem Papier nach wie vor Amateure sind, dürfen sie im Gegensatz zu Fussball-Profis im letzten Sommer keine Wettkämpfe bestreiten. Zumindest einen sportlichen Erfolg hat der zweifache Eidgenosse in der Zwischenzeit trotzdem gefeiert.
Bei Altstar Kälin im Ski-Kurs
Dank einem Kurs beim Schwyzer Riesenslalom-Altstar Urs Kälin (56, Vize-Weltmeister 1991 und 96, Olympia-Silbermedaillengewinner 1994) hat Reichmuth ordentliche Fortschritte als Skifahrer erzielt. «Ich war wirklich kein guter Skifahrer» gesteht «Piri». «Aber mein ehemaliger Ausrüster Stöckli hat mich mit Urs zusammengebracht. Und Kälin hat mich bezüglich meiner Technik und der Körperhaltung auf den Ski um einiges weiter gebracht.» Nun möchte der 26-Jährige, der kürzlich mit Erfolg sein Studium zum Physiotherapeuten abgeschlossen hat, aber endlich wieder seine gigantische Stärke im Sägemehl-Ring ausspielen.
Aber in der Schwinger-Familie ist ja derzeit ein ziemlich tiefer Graben zu erkennen. Seit dem 17. März dürfen die 120 besten Schwinger zumindest wieder im Sägemehl trainieren. Aber nun gibt es in der Nordostschweiz Hochkaräter wie Sämi Giger, die aus Solidarität zu den sogenannten Mittelschwingern und Nicht-Kranzern diese Trainings boykottieren.
Reichmuth hat seine Meinung geändert
Die Parole «entweder alle oder keiner» hat in einem Blick-Interview anfangs November auch Reichmuth ausgerufen. Aber der vierfache Kranzfestsieger, der zu den treibenden Kräften im ESV-Athletenrat ist, hat seine Meinung diesbezüglich geändert. «Im November habe ich ja auch nicht gedacht, dass uns Corona noch derart lange beschäftigen wird» betont Reichmuth. «Aber jetzt, wo klar ist, dass uns dieses Thema noch länger beschäftigen wird, sind halt auch im Schwingen aussergewöhnliche Massnahmen gefragt.»
Pirmin legt nach: «Falls es noch einmal einen Sommer ohne Schwingfeste geben sollte, droht unserem Sport nicht nur eine grosse Rücktrittswelle, sondern auch der Abgang von vielen Sponsoren. Und wir sollten nicht vergessen, dass die meisten Schwinghallen auch dank den Sponsoren-Geldern gebaut werden konnten.» Reichmuth hat deshalb auch «Ja» gesagt zum von Swiss Olympics und dem Bundesamt für Sport abgesegneten Plan von Stefan Strebel, der als Technischer Leiter vom ESV für die 120 auserwählten Schwingern zwischen Mai und Juli in den Eishallen-Bubbles von Huttwil und Winterthur 12 Geister-Wettkämpfe (ohne Kranzabgabe) durchführen wollte.
Corona-Notfallplan soll rausgeholt werden
«Auch meine Kollegen im Athleten-Rat haben das Vorhaben von Strebel unterstützt. Doch leider hat der Zentralvorstand vom ESV ein Veto eingelegt.» Reichmuth hofft aber, dass in diesem Fall das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. «So wie ich die Lage einschätze, wird es noch lange dauern, bis der Bundesrat allen Schwingern die Erlaubnis für die Rückkehr ins Sägemehl erteilen wird. Und deshalb ist der ZV vom ESV gut beraten, wenn er Strebels Corona-Notfallplan noch einmal aus der Schublade herausholt.»
In der Hoffnung, dass sich auch in der Teppich-Etage vom Eidgenössischen Verband die Vernunft gegen die Sturheit durchsetzt, greift Reichmuth in diesen Tagen regelmässig im Schwingkeller mit seinem Bruder Marco und den starken Zuger Kollegen Marcel Bieri und Noe van Messel zusammen.