Die Tour de France 2020 hat es in sich. Viele sprechen von der schwersten Ausgabe überhaupt in der Geschichte des Rad-Klassikers. Offiziell sind die 21 Etappen wie folgt eingeteilt: 8 Gebirgsetappen (4 mit Bergankünften), 3 wellige Teilstücke und 9 Flachetappen. Schaut man Letztere allerdings genau an, sind sie fast nie wirklich flach, es geht rauf und runter. Dazu kommt ein einziges Zeitfahren – am zweitletzten Tag hinauf zur Planche des Belles Filles. Es ist ein Bergzeitfahren. Denn: Nach 30 Kilometer steigt die Strasse auf den letzten 6 Kilometern stetig an, Rampen von bis zu 20 Prozent stellen sich den Fahrern in den Weg.
Längst nicht alle Fahrer haben Spass an diesem höllischen Tour-Parcours. Der Thurgauer Stefan Küng (26) meint: «Es ist abartig. Das Rennen ist an sich schon hart genug und die Organisatoren versuchen, es nur noch für die Bergfahrer zu machen. Das finde ich schade.» Er verstehe zwar, dass «echte» Flachetappen für den TV-Zuschauer nicht immer viel Spass machen würden. «Aber sie gehören doch auch dazu», so Küng.
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Bergfahrer im Vorteil
Die Folge des Ganzen ist klar: Wer keine Bergziege ist, kann sich einen Podestplatz in Paris abschminken. Die drei Topfavoriten auf den Gesamtsieg veranschaulichen dies mit ihren Massen: Egan Bernal (60 Kilo bei 1.75 m), Primoz Roglic (65 Kilo bei 1.77 m) und Thibaut Pinot (63 Kilo bei 1,80 m).
Küng dagegen ist 1,93 m gross und 83 Kilo schwer. Er hat keine Ambition auf den Tour-Sieg, vielmehr will er seinen Groupama-FDJ-Teamkollegen Pinot zum Triumph führen. Wahrscheinlich ist, dass er die Rundfahrt früher verlässt. Denn: Entgegen ersten Vermutungen dürfte die abgesagte WM in Aigle/Martigny (20.-29. September) woanders stattfinden. Die Optionen sind Valdera (It) in der Toskana und das Département Haute-Saone (Fr) – dort käme es zu einem normalen, eher flachen Zeitfahren. Genau das, was Küng entspricht. Die UCI gibt ihre Entscheidung heute bekannt.
«Bringt nichts, wenn ich mir einen Stress mache»
Der frischgebackene Zeitfahr-Europameister bleibt gelassen. Er ist gut drauf und schaut nicht zu weit nach vorne. «Es bringt nichts, wenn ich mir einen Stress mache», sagt er. Fakt ist aber auch: Er trauert der Ära, wo Zeitfahren bei einer Rundfahrt entscheidend waren, ein wenig nach. 1993 beispielsweise gab es an der Tour de France ein Teamzeitfahren über 81 Kilometer, dazu je ein Einzelzeitfahren über 59 und 48 Kilometer. Macht in der Summe 188 Kilometer im Kampf gegen die Uhr. Im Vergleich dazu sind die heutigen, 36 Kilometer, fast eine Bagatelle. Berge sind den Organisatoren wichtiger.