Ausserirdisch! Wahnsinn! Und das in diesem Alter! So oder ähnlich klingen die Lobhudeleien, wenn es um Egan Bernal (23, Kol), Remco Evenepoel (Be, 20) und Mathieu van der Poel (Ho, 25) ging. Tatsächlich sind die drei Youngsters aussergewöhnlich. Bernal ist Tour-de-France-Sieger, Evenepoel Vize-Weltmeister im Zeitfahren und Van der Poel ein Genie auf drei Velos (Mountainbike, Quer und Strasse). «Sie verdienen bereits sehr viel Geld. Sorgen haben sie deswegen aber nicht weniger», sagt Fabian Cancellara (39). Der zurückgetretene Berner spricht über den brutalen Druck, dem die drei bereits in jungen Jahren ausgesetzt sind. «Sie sind im Rampenlicht. Damit müssen sie erst einmal klarkommen.»
Marc Hirschi wird nicht in einem Atemzug mit Bernal, Evenepoel und Van der Poel genannt. «Ich bin auch kein Supertalent wie sie», findet er selbst. Dass dies kein Nachteil sein muss, bewies der 22-jährige Berner am Sonntag. Hinter dem hochdekorierten Franzosen Julian Alaphilippe (28) wurde Hirschi Zweiter. «Schade, dass es nicht zum Maillot Jaune gereicht hat», sagte er. Immerhin: Er übernahm das weisse Trikot des besten Jungprofis. Die französische Zeitung L’Equipe schrieb: «Von diesem jungen Schweizer wird man künftig viel hören.»
Zurück zu den drei Rad-Magiern. Bernal litt zuletzt an Rückenproblemen, am Dienstag will er hinauf nach Orcières-Merlette erstmals glänzen. Derweil erholt sich Evenepoel erholt von einem Beckenbruch – er fiel beim Dauphiné von einer Brücke. Van der Poel dagegen visiert Mountainbike-Gold 2021 in Tokio an. Was das zeigt? Einfach: In einer Karriere gibt es Irrungen und Windungen – Talent hin oder her. Cancellara: «Auch das private Leben muss man meistern. Und dieses wird als Star nicht einfacher. Egal ob es um Geld, die erste Wohnung oder die Freundin geht.»
«Das Geld kommt von alleine»
Cancellara berät Marc Hirschi. Dieser ist froh darüber: «Im Radsport wird schnell einen Hype gemacht. Ich aber lasse mich nicht verrückt machen – ich muss noch viel lernen. Dass Fabian mir dabei hilft, ist ein Glücksfall.» Der U23-Weltmeister will nichts überstürzen. Bleibt er ein Classique-Spezialist? Oder ist sein Traum vom Tour-Sieg realistisch? «Das werde ich nach und nach herausfinden», so der 61-Kilo-Mann. Beim Team Sunweb hat er einen Vertrag bis Ende 2021.
An sein Bankkonto denkt Hirschi dabei keine Sekunde. Sein Grundlohn beträgt 42'000 Franken. Dazu kommen Boni aus den Rennen. Die Rechnung: Zehn Prozent der Preisgelder geht an den Staff, der Rest wird unter den Fahrern aufgeteilt. Private Sponsorengelder kommen dann bei jedem obendrauf. «Wenn ich gut fahre, kommt das Geld von alleine», weiss Hirschi.
So oder so: Seine Visitenkarte hat Hirschi bereits abgegeben. Silvan Dillier (30), der bei der Tour nicht dabei ist, prognostiziert: «Er gewinnt schon bald.» Sollte es so sein, wäre etwas sicher: Hirschi würde trotzdem nicht abheben.