Julian Alaphilippe (28) sitzt auf einem Randstein und weint. Soeben hat er die zweite Etappe der Tour de France gewonnen – hauchdünn vor dem jungen Schweizer Marc Hirschi (22). Alaphilippe ist müde und freut sich, klar. Aber in diesem Moment mischt sich auch Trauer in seine Gefühle. «Mein Vater ist vor kurzem gestorben. Ich widme ihm den Sieg», sagt kurz darauf mit Tränen in den Augen.
Jacques Alaphilippe wurde 80 Jahre alt. Der ehemalige Musiker verstarb nach langer Krankheit am 27. Juni – es wäre der Tag gewesen, an dem die Tour (ohne Corona) begonnen hätte. Jacques war nicht nur Julians Vater, sondern auch ein grosser Förderer. Im letzten Jahr besuchte er seinen Sohn an der Tour noch im Rollstuhl – die Bilder gingen um die Welt.
Damals gewann «Loulou», wie ihn die Franzosen liebevoll nennen, zwei Etappen. Dazu trug er während 14 Tagen das Maillot Jaune, das er mit letzter Energie verteidigte. Am Ende wurde Alaphilippe Gesamt-Fünfter. Kaum einer hätte ihm das zugetraut, gilt er doch nicht als Rundfahrten-Spezialist.
Seit jenen Tagen war bei Alaphilippe aber der Wurm drin. Er gewann kein einziges Rennen mehr. «Ich bin bis jetzt einem einem Sieg nachgefahren. Die Emotionen sind gross, es ist halt die Tour», sagt er mit geröteten Augen. Der explosive 62-Kilo-Kraxler will nun das Gelbe Trikot so lange wie möglich verteidigen.
Bringt er es gar bis Paris? Niemand mag so recht daran glauben – die langen Pässe sind nicht das Terrain des Classique-Spezialisten. «Ich denke nicht an den Gesamtsieg. Aber ich werde dieses Trikot verteidigen, so lange ich kann.» Sicher ist: Alaphilippe wird dabei auch an seinen verstorbenen Vater denken.