Überflieger Roglic ist Tour-Favorit
Vom Ex-Skispringer zum Rad-Superstar

Früher flog Primoz Roglic (30) durch die Luft, heute fliegt er über den Asphalt. Die Geschichte, wie aus dem Ex-Skispringer der Tour-Favorit wurde.
Publiziert: 28.08.2020 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 03.10.2020 um 12:22 Uhr
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Primoz Roglic ist an der Tour de France Mitfavorit.
Foto: AFP
Mathias Germann

Primoz Roglic liegt verletzt im Schnee. Regungslos. Die Sanitäter eilen herbei, drehen seinen Körper, machen einen ersten Check und ziehen ihn auf eine Bare. Er wird aus dem Skisprung-Stadion von Planica (Sln) getragen. Kurz zuvor erlebt Roglic das, wovon sich die meisten Skispringer fürchten: Es drückt ihm kurz nach dem Absprung einen Ski nach unten, aus mehreren Metern Höhe knallt er mit voller Wucht auf den eisigen Untergrund. Roglic erleidet «nur» eine Gehirnerschütterung. Und doch verliert der schmächtige Slowene an diesem Wintertag im Jahr 2007 den Glauben, es ganz nach oben zu schaffen.

Mitfavorit auf den Tour-Sieg

Diese Episode liegt 13 Jahre zurück. Und heute? Da steht Roglic kurz davor, es doch ganz nach oben zu schaffen. Allerdings nicht im Skispringen, sondern im Radsport. Der 30-Jährige ist einer der heissesten Anwärter auf den Sieg bei der Tour de France, die am Samstag in Nizza beginnt. «Ich will die Tour gewinnen und ich weiss, dass ich es kann», sagte Roglic unlängst.

3470 Kilometer, acht Bergetappen mit vier Bergankünften und ein Zeitfahren warten ab Samstag auf Roglic. Aus der Ruhe bringt das den Familienvater – Sohn Lev ist zwei Jahre alt – jedoch nicht. Er gewann acht der letzten elf Rundfahrten, die er bestritt. 2018 wurde er Tour-Vierter, im Jahr darauf Giro-Dritter und Vuelta-Sieger.

Es stellt sich die Frage: Wie war dieser Wandel vom Skispringer zum Rad-Ass möglich? Rückblick. Nach seinem Sturz 2007 sprang Roglic noch vier Jahre weiter. Dann gab er auf. Der Sohn eines Bergmannes und einer Zahnarztgehilfin war bereits 21, als er Radsport begann. Eigentlich viel zu spät. Bogdan Fink, der Rennstallmanager seines ersten Teams, glaubte trotzdem an ihn. Er meinte: «Primoz hat einfach zuerst den falschen Sport gewählt. In seinem Dorf werden die Jungs fast alle Skispringer, also hat er das auch so gemacht.»

Doping-Verdacht

Tatsächlich verblüffte Roglic bereits bei den ersten Rad-Leistungstests. Sein Blut hatte eine Sauerstoff-Aufnahmekapazität von 80 Millilitern pro Minute und Kilogramm Körpergewicht. Das sind Werte im Bereich des vierfachen Tour-Siegers Chris Froome (35, Gb). Doping-Gerüchte machten die Runde, sie erhärteten sich aber nie. Sicher ist: Klasse hat Roglic genug. Für viele fehlt es ihm aber an Charisma. Er ist zwar stets ruhig und nett, mehr aber nicht. Seine Ehefrau Lora Klinc meinte einmal: «Manchmal wirkt Primoz kalt und distanziert. Aber im normalen Leben ist er warmherzig, lieb und viel entspannter.»

Mit 30 Jahren steht Roglic vor der grossen Reifeprüfung. Der ehemalige Skispringer auf dem obersten Tour-Podest – es wäre der Höhepunkt einer besonderen Sportgeschichte.

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