Welche ist die Königsdisziplin der Leichtathletik? Darüber kann man diskutieren. Fakt ist: Der Stabhochsprung gilt als besonders komplex.
Das bekommt auch Rad-Talent Noemie Rüegg (23) an diesem regnerischen Tag in Magglingen BE zu spüren. Und das, obwohl sie mit Europameisterin Angelica Moser (26) die bestmögliche Lehrerin hat und früher selbst beim LC Regensdorf aktiv war. «Allerdings in den Laufdisziplinen», wie Rüegg lachend einschränkt.
Die beiden Schweizer Olympionikinnen, deren Sportarten sich so markant voneinander unterscheiden, verstehen sich trotz Rüeggs Schwierigkeiten blendend. «Die rechte Hand hinten, die linke vorne. Dann hältst du den Stab nach oben», weist sie Moser an. Und dann? «Dann rennst du im Zeugs umher», so Moser gut gelaunt.
Gesagt, getan – Rüegg übt den Anlauf und schafft es, den 4,45 Meter langen Stab bis zum Einstich gut zu kontrollieren. Es folgt eine Sprungübung. «Normalerweise würde ich noch einen Schwedenkasten aufstellen, von dem Noemi dann mit dem Stab abheben könnte. Aber so kurz vor Paris riskieren wir nichts», sagt Moser.
«Usain Bolt spazierte an mir vorbei»
Rüegg ist auch so zufrieden. Und beeindruckt: «Was Angelica macht, ist unvorstellbar. Ich bewundere sie sehr», sagt sie. Klar, dass die beiden sich auch über den Radsport und Olympia unterhalten. Moser, die schon zweimal (Rio 2016 und Tokio 2021) dabei war, meint: «Wenn ich dir einen Rat geben darf, Noemi, dann ist es, alles zu geniessen. Ich erinnere mich, wie ich in Brasilien fast zu aufgeregt war. Kein Wunder, spazierte doch auf einmal Usain Bolt im Olympischen Dorf an mir vorbei. Das war toll, aber gleichzeitig hatte ich Mühe, den Fokus zu behalten.»
Bei diesen Ausführungen hört Rüegg ganz genau hin. «Bolt war immer mein grosses Idol», sagt sie schmunzelnd. Ihr sei aber klar, was Angelica meine. «Ich habe nie von einer Profi-Karriere geträumt. Und nun darf ich sogar zu den Olympischen Spielen. Letztlich ist es aber ein Rennen wie jedes andere – ich muss nichts Spezielles erzwingen.»
Diese Events würden sie gerne schauen
Die einmalige Eröffnungsfeier, die auf der Seine über die Bühne gehen wird, werden beide verpassen. Warum? Weil Mosers und Rüeggs Wettkämpfe deutlich später stattfinden – eine so frühe Anreise würde sich nicht lohnen. «Viele meinen, wir könnten Olympia in vollen Zügen erleben und verschiedenste Wettkämpfe besuchen. So ist es aber nicht. Nach unseren Einsätzen müssen wir das Olympische Dorf spätestens 48 Stunden später freigeben», so Moser.
Und trotzdem: Vielleicht liegt es ja doch noch drin, einen anderen Wettkampf hautnah zu erleben. Wo würde es sie hinziehen? Moser: «Zum Kunstturnen! Das habe ich lange selbst gemacht und es interessiert mich deshalb.» Rüegg hat eine andere Idee: «Breaking oder Skateboarding, das wäre cool!»