Die erste Tour de Suisse seit dem tragischen Tod von Gino Mäder (1997-2023) ist in vollem Gang. Es wird um Siege, Bonussekunden und Trikots gekämpft. Alles wie gehabt also? Nein. Dass Mäder nicht mehr da ist, macht alle betroffen. Sechs Weggefährten erzählen, wie sie mit dem Schmerz umgehen.
Stefan Küng (30): «Gino fehlt mir einfach»
«Normal wird die Tour de Suisse für mich nie mehr sein. Aber ich schaffe es, in den Rennen nicht mehr daran zu denken. Bei aller Tragik: Ich muss mich konzentrieren. Sobald ich nicht mehr in dieser Blase bin, also zum Beispiel zu Hause, beschäftigt mich sein Tod. Gino fehlt mir einfach. Krass, dass es schon ein Jahr her ist. Das Ganze hat mir gezeigt, dass Velofahren nicht das Einzige im Leben ist. Angst habe ich in den Rennen nicht, auch wenn ich in Abfahrten schon mal früher als sonst bremse, wenn es um nichts geht. Sollte der Tag kommen, an dem ich Angst habe, höre ich auf – dann würde es für mich nicht mehr stimmen.»
Marc Hirschi (25): «Mein guter Freund ist nicht mehr da»
«Bei der Tour de Suisse kommt alles wieder hoch. Gino war für mich mehr als ein Kollege, wir kannten uns seit der Kindheit. Nun ist mein guter Freund nicht mehr da. Wir haben früher sehr oft miteinander gesprochen, viele Witze gemacht. Gino fehlt mir. An Rücktritt dachte ich nie. Aber ich frage mich bei gefährlichen Situationen schon, wie viel Risiko ich nehmen will. Alles wird immer schneller, das Material besser, die Rennen hektischer, alle wollen vorne fahren – es ist gefährlicher als früher.»
Stefan Bissegger (25): «Alles kommt immer wieder hoch»
«Ich werde Ginos Tod nie ganz verarbeiten. Alles kommt immer wieder hoch, es ist dann eine Kombination von Gefühlen. Manchmal sind es schöne Erinnerungen – zum Beispiel an die WM 2015 in Richmond, USA. Damals waren wir Junioren, reisten früh an und hatten viel Spass zusammen. Meistens, wenn ich an Gino denke, werde ich dennoch vor allem traurig. Es ist einfach tragisch – immer noch. Es wäre so schön, wenn Gino noch da wäre.»
Johan Jacobs (27): «Gino war mein Lebensbegleiter»
«Ich trage immer das rosa Armband mit der Aufschrift #rideforGino zugunsten von Ginos Stiftung. So ist er immer bei mir, so kann ich ihn ehren. Wir haben als junge Buben mit 9 Jahren zusammen angefangen, Velo zu fahren. Und dann haben wir es tatsächlich bis zu den Profis geschafft. Gino war immer mein Lebensbegleiter, ich denke viel an ihn. Und ganz ehrlich: Wenn wir mit 100 km/h die Pässe runterdonnern, habe ich mittlerweile etwas Schiss. Dann denke ich immer an Gino. Aber ich mache weiter – auch für ihn.»
Fabian Lienhard (30): «Froh, dass es keine Bilder vom Unfall gibt»
«In den Wochen nach Ginos Tod ging es mir verhältnismässig gut. Ich hatte immer viel zu tun, ein Rennen jagte das Nächste. Im Spätherbst hatte ich dann erstmals Zeit, um alles sacken zu lassen. Erst da habe ich so richtig realisiert: Er ist nicht mehr da. Ich hatte grosse Stimmungsschwankungen. Ich habe mich auch schon dabei ertappt, wie ich ihm eine Whatsapp schreiben wollte: Gehen wir morgen zusammen aufs Velo? Ich bin froh, dass es keine Bilder von seinem Unfall gibt. Es ist wohl alles einfach saumässig dumm gelaufen – das macht es nicht weniger tragisch, aber besser zu ertragen.»
Silvan Dillier (33): «Gino ist immer noch ein Teil von mir»
«Ich habe nie viel mit Gino trainiert. Wenn ich aber heute an einem Abschnitt vorbeikomme, wo wir zusammen durchfuhren, denke ich immer an ihn. Zwei Tage vor seinem Unfall hat er mir von seinen Zukunftsplänen erzählt – er hätte ja zum Schweizer Team Tudor gewechselt. Das tönte sehr vielversprechend. Die Gespräche mit Gino waren einfach cool – er ist immer noch ein Teil von mir.»