Rad-Profi Michael Schär (33) futtert täglich 6000 Kalorien
«Einige haben beim Zmorge eine Waage dabei»

Essen, so viel man kann! Das ist seit jeher das Motto der Fahrer während der Tour de France. Aber: Die Ernährung ist heute viel organisierter und gesünder. CCC-Profi Michael Schär (33) erzählt.
Publiziert: 18.09.2020 um 15:06 Uhr
|
Aktualisiert: 18.09.2020 um 15:34 Uhr
1/7
Michael Schär erlebte 2011 seine erste Tour. Seither hat sich in Sachen Ernährung viel getan.
Foto: freshfocus
Mathias Germann

Michael Schär (33) erinnert sich gerne an seine erste Tour de France im Jahr 2011. «Sie war Tour meine Schönste», sagt er. Tatsächlich wurde er als Neuling damals ins kalte Wasser geworfen, doch der Gesamtsieg seines Leaders Cadel Evans (Aus) entschädigte für die Qualen. Schär fuhr zu dieser Zeit für das Team BMC Racing von Patron Andy Rihs (1942-2018). «Er hatte sein eigenes Weingebiet in der Provence und spendierte uns am Abend das eine oder andere wunderbare Fläschchen», so Schär.

«Wein gibts heute nicht mehr»

Seit jener Tour de France hat sich in Bezug auf die Ernährung der Fahrer viel getan. «Wein gibt es nicht mehr», sagt Schär. Er vermisse das nicht, einzig ein dunkles, schmackhaftes belgisches Bier hätte er ab und zu ganz gerne. «Aber das trinke ich, wenn ich wieder daheim bin», sagt der in Nottwil LU lebende Profi des Teams CCC. Doch wie sieht eigentlich ein Tour-Tag aus kulinarischer Sicht für ihn aus? «Der wichtigste Unterschied zu früher ist, dass wir einen eigenen Koch dabei haben. Unser ist ein junger Italiener und macht das perfekt. Zu meiner Anfangszeit war es ganz anders. Wir Fahrer lungerten teilweise rum und assen einfach, was gerade vorhanden war.»

Dann erzählt der 1,98 m grosse Roller von seinem Menüplan an der Tour. «Zmorge gibts vier Stunden vor dem Start, damit später alles verdaut ist. Brot, Butter, Omeletten, Müsli. Ganz normal halt. Ich esse dazu immer einen grossen Teller Pasta mit Käse und Olivenöl. Das mache im Team sonst keiner. Aber ich bin Old School, ein echter Dinosaurier halt», so Schär schmunzelnd. Tatsächlich ist das frühere Motto «Nudeln, Nudeln und nochmals Nudeln» bei Rad-Profis längst überholt. «Die jungen Fahrer essen am Morgen Quinoa, Ebli, Süsskartoffeln oder Bohnen. Einige kommen mit einer Waage an den Tisch und messen jedes Gramm», so Schär. Er selbst sei jedoch eher ein Gefühlsmensch. «Ich weiss, was mir gut tut», so Schär.

Am Start sind seine Speicher voll. Die Trikottasche füllt er mit Riegel, komprimiertem Reisküchlein und Gels. Auf Letztere verzichtet Schär, so lange es nur geht. «Wenn ich nur Gels esse würde, hätte ich nach vier Stunden den Pflüderi.» In der Verpflegungszone zu Mitte des Rennens überreicht ihm dann ein Betreuer eine Tasche mit Essensnachschub. «Auch ein kleines Fläschchen Cola ist dabei – immer ein Highlight», so Schär.

«Da bin ich fast verdurstet»

Und was ist mit den Getränken? An heissen Tagen trinkt Schär bis zu 15 Bidons – das sind etwa sieben Liter. Meistens Wasser mit Elektrolyten. «Ich halte aber auch etwa fünf Mal pro Rennen an, um zu pinkeln», ergänzt er. Bei einer Flucht wie zuletzt mit Stefan Küng (26) sei er jedoch «fast verdurstet», so Schär. Dies, weil er wegen des Zusatzgewichts bei einem Anstieg alle Bidons weggeworfen hatte und in der Abfahrt keine Verpflegung möglich war. «Dazu kommt, dass wir unter Konkurrenten derzeit wegen Corona praktisch kein Bidons weitergegeben.»

Endlich im Ziel, gibts für Schär zuerst einen Cranberry-Saft. Dann im Bus ein Recovery-Shake mit Kohlenhydraten und Proteinen. Dazu Reis, Poulet oder Pastasalat auf der Fahrt zum Hotel. Beim Znacht gilt es später, die Glykogenspeicher aufzufüllen. «Wir essen sehr gesund und kaum noch Fleisch mehr. Eher Tofu oder Sushi. Dazu Salat, Bohnen, Guacamole und Risotto. Das Dessert ist dann meistens Joghurt und Fruchtsalat.» Generell gilt: Schär isst täglich so viel, bis er nicht mehr kann. «Ein Genuss ist das selten. Bei Sprinteretappen brauche ich etwa 4500 Kalorien, bei Bergetappen 6000.» Der Vergleich: Ein normal arbeitender Mann mit seinem Gewicht (78 Kilo) hat einen Grundumsatz von 1900 Kalorien. Schär schmunzelnd: «Wenn ich eines Tages zurücktrete, muss ich mich dann ziemlich rasch umstellen.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?