Draussen wütet Corona. Doch die Blase der Tour de France ist weiterhin dicht. Zumindest jene der Fahrer. Von den 165 am Ruhetag auf Corona getesteten Fahrern war kein einziger positiv. Lediglich vier Teambetreuer und Tour-Boss Christian Prudhomme («Ich habe keine Symptome») erwischte es – sie befinden sich in Quarantäne. Dennoch: Die Angst vor einer Ansteckung ist da. Kein Wunder, wurden doch in Frankreich zuletzt an einem Tag knapp 10'000 Neuansteckungen registriert – Rekord. Insgesamt gibt es fast 400'000 Infizierte und mehr 30'000 Tote.
Schweizer nerven sich über Fans
Das lässt auch die Schweizer Rad-Profis nicht kalt. «In den Bergen habe ich ein mulmiges Gefühl. Ich fahre darum bei den Anstiegen ganz in der Mitte der Strasse, also mit etwas Abstand zu den Fans», sagt Michael Schär (33). Das gelingt nicht immer. «Manchmal schreien sie mir aus 10 oder 20 Zentimetern Abstand ins Gesicht, um mich zu pushen. Das ist gut gemeint, aber in der jetzigen Situation alles andere als ideal», so der Luzerner. Schär nervt sich vor allem über jene Zuschauer, die keine Maske tragen. «Das geht momentan einfach nicht. Wir alle sollten doch froh sein, dass die Tour überhaupt rollt und sie nicht gefährden.» Am Montag steht an der Tour der nächste Corona-Testtag an. Angst habe er nicht, betont Schär. Dennoch fordert er die Fans auf, eine Maske zu tragen.
Mittlerweile hat sich die Situation verbessert. Vor allem in den Pyrenäen war die Situation jedoch teilweise bedenklich. Dort standen die Menschen dicht gedrängt aneinander. «Es gab Abschnitte, in denen drei Viertel der Fans keine Maske trugen. Da hatte ich schon ein ungutes Gefühl», berichtet Stefan Küng (26). Landsmann und Tour-Held Marc Hirschi (22), der zuletzt seinen ersten Profi-Sieg feierte, meint: «Das Verhalten einiger ist schon krass. Wenn man bei seinem Haus aus dem Fenster zu uns herunterschaut, ist das kein Problem. Aber am Berg? Ich bin schon enttäuscht, wie rücksichtslos sich manche Fans verhalten.»
Die Macht von ASO
Tour-Chef Prudhomme kündigt derweil an, die Zuschauerzahlen weiter zu reduzieren. «Vor allem in den Bergen», wie er gegenüber der Sportschau ausführt. Dabei ist es schon jetzt ist nur möglich, zu Fuss oder mit dem Velo an die Anstiege zu gelangen – Autos oder Wohnmobile werden angehalten. An einen Tour-Abbruch glaubt derzeit dennoch niemand. Zu wichtig ist sie für das Land. Dazu kommt, dass Organisator ASO auch abseits des Pelotons Einfluss hat. «Sie hat viel Macht in der Politik. Diese spielt sie auch aus», so Schär.
Bleibt die Frage: Warum verzichten viele Fans auf das Tragen der Maske? Küng mutmasst: «Häufig sind sie im Adrenalin und vergessen sich. Oder sie denken, dass die Maske vor dem Mund beim Anfeuern in diesem Moment stört. Es ist kein Protest, sie meinen es nicht böse. Aber helfen tun sie dem Radsport damit nicht.»
Jetzt wird gehandelt
Durch die Ausrufung von «Roten Zonen» in Frankreich haben die Behörden vor Ort nun die Möglichkeit, Massnahmen zu ergreifen. Das passiert heute Samstag in Lyon, dem Zielort der 14. Etappe. Die Stadt ist aktuell von der Corona-Pandemie schwer betroffen. Im Zielbereich werden darum keine Zuschauer zugelassen. Auch am Sonntag auf dem Grand Colombier wird es keine Zuschauer geben. Die Massnahme der Präfektur im Département Ain betrifft dabei den Schlussanstieg der 15. Etappe zum 1501 Meter hohen Gipfel sowie den vorherigen Anstieg zum Col de la Biche. Die Fahrer sind froh über diese drastischen Massnahmen. Gesundheit steht über dem Spektakel.